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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 72<br />

13. DER VERRAT ZEIGT ZUM ERSTEN MAL ZÄHNE<br />

Am gleichen Abend war das B<strong>ro</strong>t äußerst knapp, so dass wir – sowohl ich,<br />

als auch die mich begleitende Gruppe, zu der ein Unterleutnant hinzukam – ohne<br />

unsere Ration blieben. Dies entging unserem Mann, dem Usbeken nicht, der es<br />

Dwoeglasow meldete. Letzterer schickte einen Tschassowoj, um uns zu einer<br />

verlassenen Isba am Rande des Kieferngürtels zu führen, wo nach bloß einigen<br />

Minuten ein rumänischer Soldat aus der Gardeküche uns einen Kessel voll mit<br />

einer Art Coliva, die sie Kascha nannten, dazu ein paar Salzfische, etwa drei<br />

B<strong>ro</strong>tziegeln, einen Kanister mit süßem und heißem Tee und, als ein Gipfel von<br />

Luxus, eine Packung Papi<strong>ro</strong>s (russische Zigaretten mit langem Karton) brachte.<br />

Der Lehrer aus Taschkent wollte dem Kollegen aus Bukarest seinen Respekt<br />

zeigen. Dieses unglaubliche pantagruelische Festessen und die Aussicht auf<br />

eine warme Schlafstätte in einer menschlichen Behausung führten dazu, dass<br />

wir uns ausgezeichnet fühlten und sofort optimistisch, ja sogar euphorisch<br />

wurden.<br />

Der Krieg – dekretierten wir aus den Zigarettenrauchwolken heraus –<br />

sollte schnell enden und zwar durch einen Komp<strong>ro</strong>missfrieden, und wir würden –<br />

spätestens zu Ostern – zu Hause sein.<br />

(Wie viele Osterfeiertage ich fern der Heimat verbringen sollte…<br />

vergessen wir lieber!)<br />

„Wisst ihr was?“, ergriff der Jüngste unter uns, ein aktiver<br />

Artillerieunterleutnant, das Wort. „Ich bin nicht so sicher, dass der Krieg so bald<br />

zu Ende sein wird. Um unsere Haut abzusichern und so schnell wie möglich<br />

repatriiert zu werden, glaubt ihr nicht auch, dass es gut wäre, wenn wir, sowie wir<br />

ins Lager gelangen, versuchen sollten, die Russen davon zu überzeugen, dass<br />

wir ihre Freunde sind, dass wir ihre Ideologie teilen und durchaus bereit wären,<br />

den Kommunismus auch bei uns einzuführen?“<br />

„Und Sie glauben, die werden Ihnen dies auch abkaufen? Nachdem Sie<br />

nämlich kreuz und quer durch Russland gekommen sind und all das Elend und<br />

Unglück gesehen haben, die der Kommunismus mit sich gebracht hat, werden<br />

sie Ihnen glauben, dass Sie freien Willens und ohne jeglichen Zwang diese auch<br />

zu uns bringen wollen?“, griff hitzig Cre]u ein, dessen Eltern als<br />

Bessarabienrumänen von den Sowjets 1940 ausgehoben und nach Sibirien<br />

gebracht worden waren.<br />

„Was hab ich denn zu verlieren, wenn ich’s versuche? Werden sie mich<br />

umbringen, wenn ich ihnen unehrlich vorkomme?“<br />

„Was Sie verlieren? Sie werden Ihre Ehrlichkeit und Zuneigung auf die<br />

P<strong>ro</strong>be stellen… Bestehen Sie diese Prüfung nicht, verlieren Sie ihr Leben.<br />

Bestehen Sie diese, verlieren Sie ihre Seele.“<br />

„Von was für einer P<strong>ro</strong>be sprechen Sie denn?“<br />

„Die Denunzierung ist eine davon. Sind Sie bereit, über Ihren besten<br />

Freund Dinge auszusagen, die diesen vor ein Erschießungskommando bringen?<br />

Denn sie vertrauen jemandem nur dann, wenn er sich durch ein Verbrechen an

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