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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 374<br />

antwortete ich, „sowie ich in Bukarest ankomme, gehe ich daran, es zu<br />

verwirklichen”), es kamen auch Unbekannte, um uns die Hand zu drücken und<br />

uns eine gute Reise und Erfolg im Leben zu wünschen. In diesem Augenblick,<br />

angesichts dieser spontanen Sympathiewelle, wurden wir uns dessen bewusst,<br />

dass wir, so elend wir denn auch dastanden, wir, die Anfechter der Macht, die wir<br />

uns mit ihr in einem äußerst ungleichen Kampf angelegt hatten, für alle diese<br />

Gefangenen ein moralischer Bezugspunkt gewesen waren. Wir hatten ihnen das<br />

Licht einer Hoffnung gebracht, nämlich dass man auch erhobenen Hauptes<br />

heimkehren kann, ohne seine Seele verkauft zu haben. Unser Sieg hatte auch<br />

ihre Seelen berührt. Deswegen hatten sie uns die Daumen gedrückt und offen<br />

ihre Sympathie gezeigt.<br />

Am Tor legten wir unsere Decken ab und nicht ohne Wehmut auch unsere<br />

U-Boote, die St<strong>ro</strong>hsäcke, in denen wir zwei Monate lang zum Schutz gegen die<br />

Wanzen geschlafen hatten. Dann wurden wir nach einer unglaublich<br />

oberflächlichen Durchsuchung vor das Tor gebracht und aufgestellt. Ein<br />

sowjetischer Kaporal, allem Anschein nach deutscher Herkunft, wahrscheinlich<br />

aus der aufgelösten Deutschen Wolgarepublik, trat vor uns, um sich als unser<br />

Reiseleiter und nicht als unser Bewacher vorzustellen, wie er betonte.<br />

Es kam auch Ziganow, lächelte übers ganze Gesicht, und wünschte uns<br />

eine gute Reise heimwärts. Nun waren wir keine Sonderfälle mehr… mit<br />

angelegten Akten… Er wiederholte seine Rede, die er vor der Morgengruppe<br />

gehalten hatte, mit der Umarmung der uns Lieben, mit der Zusammenarbeit mit<br />

dem größeren, sowjetischen Bruder beim sozialistischen Aufbau unseres<br />

Landes, bei dem wir und sie einander als Genossen und Kameraden begegnen<br />

würden, und zum Schluss, nachdem er Oberst Hagiopol, den Ranghöchsten,<br />

ansah, wohl als potentiellen p<strong>ro</strong>tokollarischen Antwortgeber und gleichzeitig<br />

eventuell auch als möglichen Fisch in seinem rhetorischen Gelegenheitsnetz, mit<br />

dem er seine Mappe mit noch einem Zertifikat „guten Benehmens“ bereichern<br />

könnte, fragte er freundlich-leutselig: Ob denn jemand etwas zu sagen habe.<br />

Der direkt angesp<strong>ro</strong>chene Oberst Hagiopol jedoch antwortete ihm mit<br />

einem verächtlichen Schweigen. Daraufhin wiederholte Ziganow die Frage und<br />

ließ seinen Blick, in Erwartung einer Antwort, prüfend über die ganze Kolonne<br />

schweifen. Das gleiche ostentative und feindliche Schweigen. Rot vor Zorn bis er<br />

sich auf die Lippen und befahl schneidig: Na lewa i saga mars! (Linksum und<br />

vorwärts Marsch!) Was wir freudig taten, ohne ihm auch nur den elementarsten<br />

Gruß zu gönnen. Nicht einmal einen Blick schenkten wir ihm. Wir gingen an ihm<br />

wie an einem toten Hund vorbei.<br />

So verließen wir also jenen verfluchten Ort mit satanischem Namen,<br />

bekreuzigten uns und blickten nicht mehr zurück, ja, manch einer von uns<br />

schüttelte den Staub von seinem Schuhwerk.

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