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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 130<br />

„Was soll ich denn sagen! Eine Woche, höchstens zwei.“ Während ich<br />

mich ankleidete, kam mir eine Idee. „Herr Doktor, wenn ich TBC habe, warum<br />

weisen Sie mich dann nicht ins Krankenhaus ein? Warum lassen Sie mich denn<br />

auch andere Kameraden anstecken?“<br />

„Na hör mal! Jetzt bin ich soweit gekommen, dass einer wie du mir<br />

Hygiene- und Vorbeugungslektionen erteilt? Weißt du was? Ich hab’ mit dir<br />

bereits zu viel Zeit verloren. Der nächste!“<br />

Ich kehrte deprimiert in den Schlafsaal zurück, wo ich den mich<br />

umgebenden Kameraden alles haargenau erzählte, was mir bei der ärztlichen<br />

Untersuchung widerfahren war, einschließlich vom Urteil. Ich warnte sie dadurch<br />

vor einer möglichen Ansteckung und suggerierte gleichzeitig auch, sich im<br />

Interesse ihrer eigenen Sicherheit für meine Einweisung ins Krankenhaus<br />

einzusetzen.<br />

„Woraus schließt du denn, dass du tuberkulosekrank bist?“, fragte mich<br />

einer der Zuhörer. „Hast du denn Blut gespuckt?“<br />

„Nein, nie“, antwortete ich, „aber das war die Diagnose des Arztes.“<br />

„Welcher Arzt denn?“, griff ein anderer in die Diskussion ein, „der, der<br />

Möhren kaut, während er dich mit dem Stethoskop abhört? Bravo zu einer<br />

solchen Untersuchung und so einem Arzt!“<br />

„Also, ich kann euch sagen, wer dieser Doktor da eigentlich ist!“, meldete<br />

sich ein dritter Sprecher zu Wort. „Ich war mit ihm im Waggon. Sowie er<br />

jemanden sah, der krank oder etwas entkräftet war, machte er sich an diesen<br />

heran und sagte ihm ungefähr Folgendes: „He, Kamerad, du wirst bald sterben.<br />

Dies sage ich dir, der ich Arzt bin, und ich täusche mich nie. Überlass doch mir<br />

deinen Rucksack, den ich gut gebrauchen kann! Warum sollte ihn ein anderer<br />

bekommen, wo du doch sowieso stirbst, das ist sicher.“<br />

„Gut, ich glaube dir. Er ist eine Hyäne. Das habe ich selbst auch gesehen.<br />

Aber warum nur hat er mich persönlich derart entmutigen wollen, wo er doch<br />

nichts von mir verlangt hat?“, erwiderte ich.<br />

„Aber du hast ihm auch nichts angeboten für die Aspirintabletten, die du<br />

von ihm haben wolltest. Hast du denn nicht gesehen, dass er die Medikamente<br />

der Krankenstube als persönliches Gut betrachtet, worüber er zum eigenen<br />

Nutzen verfügen kann? Wie hast du’s denn nur wagen können, ihm welche<br />

abzuverlangen, ohne ihm eine B<strong>ro</strong>tration oder ein Päckchen Zigaretten<br />

zuzustecken? Ja, das ist der Preis; ihr wusstet dies nicht, aber so stehen die<br />

Dinge nun mal. Ich erfuhr dies von einem «Altgefangenen!, der unlängst aus<br />

dem Krankenhaus entlassen worden ist. Was der mir über das Spital erzählt hat,<br />

übersteigt all eure Vorstellungskraft. Ja, über das Krankenhaus, in das du<br />

eingewiesen werden willst. Auf der TBC-Abteilung, wo ein paar menschliche<br />

Wracks den letzten Rest ihrer Lungen ausspucken und wo derjenige, der einmal<br />

drin ist, auch wenn er kein TBC hat, ganz bestimmt damit entlassen wird… Bleib<br />

du nur ruhig auf deiner Pritsche… Was du hast, ist ein Pappenstiel: eine banale<br />

Pleuritis… und wird von alleine heilen… Wesentlich ist, dass du nicht mehr daran<br />

denkst… Und wie viel Zeit hat er dir denn noch zu leben gegeben, der<br />

Hohlkopf?... Zwei Wochen?... Dass ich nicht lache!...“ Dieser ununterb<strong>ro</strong>chene<br />

und ansprechende Schwall von mal ernsten, mal lustigen Ideen ging über mich<br />

wie eine anregende Dusche nieder. Nichts konnte wohltuender sein für mich als

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