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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 270<br />

Kälte entblößten Hauptes herausgekommen war, um uns zu verabschieden.<br />

Jenseits des Lagertores, als wir darauf warteten, dass die Übergabe-<br />

Übernahmeformalitäten erledigt wurden, die in der sowjetischen Bü<strong>ro</strong>kratie für<br />

acht Menschen genau so viele Formalitäten und Zeit wie für achthundert<br />

Personen voraussetzten, hatte ich ausreichend Gelegenheit, meine Weg- und<br />

vielleicht Schicksalsgenossen zu studieren. Nicht zuletzt auch um eine<br />

Vorstellung davon zu bekommen, nach welchem Kriterium wir ausgewählt<br />

worden waren und um dementsprechend darauf schließen zu können, was für<br />

ein Los uns denn erwartete. Vom Sehen und vom Hörensagen her kannte ich sie<br />

alle, persönlich aber keinen von ihnen. Ihrem Ruf nach jedoch galten – alle außer<br />

einem, der als Spitzel mitgeschickt wurde – als „Reaktionäre“ schwersten<br />

Kalibers. Einer solchen Gruppe anzugehören, war eine Ehre, die allerdings einen<br />

hohen Preis haben konnte. Folgende Offiziere waren meine Weggenossen:<br />

Oberst Dimitriu Stelian (der beim Konzert Major R\doius mit Schumanns<br />

Grenadieren gegen Codler aufgetreten war, als der Saal im Delirium „Der Kaiser,<br />

der Kaiser!“ schrie), sein Freund Major Costin Dumitrescu, genannt Copilu’ 128 ,<br />

Oberst Calomfirescu (etwas reservierter, aber nicht weniger entschieden und<br />

kategorisch), Major Apostolache (der offen eine „anti-antifaschistische“<br />

Kampagne führte), die Reservisten und Rechtsanwälte Nicolae Cojocaru und<br />

Victor Clonaru (von dem ich weiter oben sprach), beide von klarer Haltung, die<br />

dazu andere um sich scharten, dann Gavalicov, der Übersetzer aus dem<br />

Russischen, der auch aus Susdal gekommen war und dick in der Kreide war,<br />

und schließlich Anghelide, der Spitzel vom Dienst, die Schlange mit Brillen, wie<br />

man ihn noch nannte, allzu bekannt, um noch gefährlich zu sein. Ich stellte mich<br />

meinen Leidensgenossen vor, die mich ihrerseits von der Bühne kannten und<br />

mich mit Sympathie aufnahmen. Letztendlich brachen wir auf.<br />

Der Schneesturm hatte nachgegeben, aber der Schnee war dick und<br />

flockig, dass die Beine bis zum Knie darin einsanken, und wir kamen schwer<br />

durch die Schneemassen auf dem zugeschneiten Weg voran.<br />

Die Bewachungsgarde zählte ihrerseits acht Tschassowojs, was auf die<br />

besondere Aufmerksamkeit schließen ließ, die man uns aus dem Lager<br />

geschenkt hatte. Gavalicov sah einen von ihnen fragend an, „wohin geht’s<br />

denn?“, und dieser antwortete nach einigem Zögern: „Oranki“. Gott sei Dank!<br />

Gut, dass es nicht Schonika war, der Bahnhof, wo die schrecklichen Transporte<br />

ins Unbekannte zusammengestellt wurden. Nach etwa vier erschöpfenden<br />

Marschstunden – am schwersten hatten es die älteren vier Offizieren höheren<br />

Ranges – erreichten wir in stockdunkler Finsternis das Lagertor.<br />

In Oranki gab es noch rumänische Offiziere, die aus anderen Lagern<br />

hierher gebracht worden waren, sowie die Aufsässigen aus M=n\st=rka. Alle<br />

wohnten in einem gesonderten Gebäudeblock unter dem Klub. Uns aber brachte<br />

man in einem grässlichen Schuppen unter, in Gebäude 7, dem ehemaligen<br />

Refektorium des Klosters, in dem es siebenstöckige Betten gab: Im ersten schlief<br />

man angekleidet und eingewickelt, im obersten nackt, so warm war es da. Der<br />

zur Hälfte leere Raum war mit österreichischen, deutschen und ungarischen<br />

Offizieren belegt. Es gab reichlich Platz (und Kälte), also k<strong>ro</strong>chen wir in die dritte<br />

128 Das Kind.

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