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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 313
seiner habhaft zu werden. Las ihn in einem Zuge… und die Luft war raus. Las
ihn noch einmal, dann kam er damit zu mir. Es war, Überraschung!, ein Brief von
der Gorbatschowa. Ein wunderschöner Liebesbrief in einem nicht nur korrekten,
sondern auch besonders schönen Rumänisch. Was darauf schließen lässt, dass
sie auch nach unserem Abtransport weiterhin Rumänisch gelernt hatte. (Warum
wohl?) Im Wesentlichen war ihr Brief der verzweifelte Schrei eines lebend
begrabenen Menschen, der um Hilfe bittet. So fühlte sie sich in der Welt, in der
sie zu leben gezwungen war und in der sie erstickte. Der einzige Ausweg aus
diesem Alptraum war er, auf den sie ihre letzte Hoffnung setzte, nämlich sofort
nach seiner Repatriierung an die UdSSR einen Antrag zu stellen, mit Bitte um die
Bewilligung, sie zu heiraten. Gesetzlich war dies ja auch möglich, ähnliche
Anträge hatte es bereits gegeben und sie waren bewilligt worden. Sie erinnerte
ihn an all die gemeinsam erlebten Augenblicke und bat ihn inbrünstig, im Namen
derselben, sie aus diesem Grab zu befreien, in dem sie das Gefühl hatte, zu
verwesen, und sie zurück ins Leben zu holen.
Für ein paar Momente waren wir erschüttert angesichts dieses so
dramatischen Dokumentes über die Lebensbedingungen des Intellektuellen im
sowjetischen Marasmus.
„Bitte B. um Verzeihung für die ungerechte Ohrfeige und gib ihm den Brief
zurück… er muss ihn aber zerstören! Damit er nicht bei irgendeiner
Durchsuchung gefunden wird und dem armen Mädchen wer weiß was zustößt “
„Bist du denn so sicher, dass ihr etwas passiert?“, erwiderte Nae. „Womit
würde sie denn den NKVD stören, wenn infolge einer romantischen Heirat,
erwachsen aus einer krummen Liebe, noch eine NKVD-istin in die rumänische
Gesellschaft eingepflanzt wird? Siehst du denn nicht, dass sie selber schreibt,
ähnliche Anträge habe es schon gegeben und seien bewilligt worden? Was
heißt, dass unser Land mit Hilfe von in NKVD-Frauen verliebten Turteltauben mit
einem neuartigen weiblichen Spionagesystem überzogen wurde“, schlussfolgerte
Nae Cojocaru, der einen scharfen Verstand und ein feines politisches Gespür
besaß. Trotzdem aber ging er zu B. und bat ihn um Verzeihung.
B. kehrte heim, bat aber „Schwiegerväterchen“ Stalin nicht um die Hand
der Gorbatschowa, sondern suchte sich unter den seinen eine Lebensgefährtin…