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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 269<br />

70. TERLE]CHIS RACHE<br />

Doch hatten wir kaum zu lachen aufgehört, als plötzlich die Barackentür<br />

aufging und die sibirische Luft von draußen den Raum mit einem Dunst füllte,<br />

dass man einander nicht mehr erkennen konnte.<br />

Als die Sichtverhältnisse sich etwas klärten, erkannten wir die etwas<br />

längliche und rückengekrümmte Silhouette des Offiziers vom Dienst. Als er in die<br />

Nähe unserer Gruppe gelangte, blieb er stehen, holte aus der Manschette seines<br />

Mantels einen Zettel hervor, buchstabierte diesen langsam und fragte schließlich:<br />

„Kto litinant M\rculescu Radu?“ (Wer ist Leutnant M.R.?)<br />

„Ia“ (Ich), antwortete ich und stützte mich auf meiner Pritsche auf.<br />

„Packen Sie schnell ihre Habe und… zum Tor mit Ihnen!“, übersetzte der<br />

Dolmetscher, der ihn begleitete.<br />

„Dawai po b=stra!“ (Los, schnell!), fügte der Offizier noch hinzu, dann<br />

verließen die beiden den Raum, der sich erneut mit kaltem Nebel füllte und mir<br />

diesmal bis ins Mark eindrang und sich mir aufs Hirn legte. „Mit dem Gepäck zum<br />

Tor!“ Das bedeutete – Abtransport. Aber wohin bloß, Gott? Und das jetzt, bei<br />

dem F<strong>ro</strong>st und den Schneebergen von draußen? Sofort fiel mir der drei Jahre<br />

zurückliegende Transport in den Todeswaggons ein. Die Freunde umstanden<br />

mich schweigend, mit besorgten und mitleidvollen Gesichtern, was nur umso<br />

mehr dazu führte, mich wie ein Ausgestoßener zu fühlen.<br />

Ich kam mir wie Ovid vor, der am Ende einer Festnacht das Edikt der<br />

Verbannung erhält.<br />

„Unser Lachen von zuvor war ein schlechtes Omen“, brach jemand das<br />

Schweigen. Ich begann, meine Sachen in den Rucksack zu packen. Wie viele<br />

unnütze Dinge sich denn inzwischen angesammelt hatten! „Jetzt ist der<br />

Augenblick gekommen, sie loszuwerden“, dachte ich bei mir und ließ alles auf<br />

dem Bett, was überflüssig war. Aber dies war eher unmöglich, denn in dem<br />

Maße, in dem ich etwas aussortierte, steckten mir die Freunde etwas anderes<br />

wieder zu. Sei es ein Paar von Clement Borcea gestrickte Wollstrümpfe, sei es<br />

ein Paar pelzgefütterte deutsche Handschuhe oder einen Schal. Die Zeit verging,<br />

und ich packte langsam weiter. Aus ihren Baracken kamen Petric\ und<br />

R\ducanu.<br />

„Das ist Terle]chis Rache dafür, dass du es abgelehnt hast, den Bären zu<br />

inszenieren bzw. ein Tanzbär zu sein”, sagte Petric\, und R\ducanu: „Lass all<br />

deine Manuskripte hier, denn am Tor werden sie sie dir abnehmen!” Ich übergab<br />

ihm unter anderem auch das Schindelbündel mit meinem Essay, in dem jedes<br />

Kapitel mit dem Aufruf „Habe Mut!” aufhörte. „Jetzt ist der Zeitpunkt da, ihn auch<br />

in die Praxis umzusetzen, nachdem du ihn anderen empfohlen hast.”<br />

Am Tor waren weitere 5, 6 Offiziere versammelt, mit den geöffneten<br />

Gepäckstücken vor sich, in denen neugierig die Tschassowojs wühlten.<br />

Nachdem sie uns endlich durchsucht hatten, wurden wir aufgestellt und ein paar<br />

mal gezählt (festzuhalten wäre, dass wir nur acht Mann waren), dann traten aus<br />

dem Tor wir unter den ermutigenden Zurufen des gesamten Lagers, das t<strong>ro</strong>tz der

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