04.09.2013 Aufrufe

radu m|rculescu - Memoria.ro

radu m|rculescu - Memoria.ro

radu m|rculescu - Memoria.ro

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 353<br />

92. Begegnung mit Major R\doi<br />

In der neuen Baracke, in die man uns umquartiert hatte, befand sich außer<br />

dem Häufchen Rumänen, welche die Antifaschistische Gruppe bildeten und in<br />

einem gesonderten kleinen Zimmer untergebracht waren, das zugleich auch der<br />

Sitz der Organisation sowie der angesehenen Publikation (!!) Curentul<br />

democratic/ Die demokratische Strömung war, auch eine Handvoll rumänischer<br />

Offiziere, die man aus wer weiß wie vielen Untersuchungen hier versammelt<br />

hatte. Einer davon war auch mein ehemaliger Sänger aus dem Basar der<br />

Illusionen, Major Nicolae R\doi alias Nicollo Baritonescu, wie wir ihn in Oranki<br />

liebevoll genannt hatten, der vor zwei Jahren mitten aus den P<strong>ro</strong>ben weg<br />

ausgehoben worden war. Der Arme, was hatte er in dieser Zeit nicht alles<br />

mitgemacht! Er wurde ins berühmte Moskauer Gefängnis gebracht, dessen<br />

Namen sogar jene erschauern lässt, die bloß von ihm gehört haben, also in die<br />

berüchtigte Lubjanka, wo er Tag und Nacht einem irrsinnigen Verhör unterzogen<br />

wurde. „Der Angeklagte soll sagen, wie viele Sowjetbürger er geköpft hat, wann,<br />

wo und unter welchen Umständen, ob es nur die Köpfe von Soldaten oder auch<br />

von Zivilisten waren, was er mit den Köpfen gemacht hat, wohin er sie versandt<br />

hat und ob er denn auch andere Personen kennt, die ähnliche Taten begangen<br />

haben.“ Begraben unter dieser Lawine fürchterlicher Anklagen, versuchte der<br />

arme R\doi vergeblich, sich zu verteidigen und zu sagen, er wisse nichts von<br />

den ihm zugeschriebenen Schreckenstaten. Zum Schluss forderte er Genaueres<br />

und Beweise. „Ah, du willst Beweise?“, grinste der Untersuchende. „Hier sind die<br />

Beweise! Deine eigene Mutter klagt dich des Mordes an.“ Und hielt ihm einen<br />

Brief unter die Nase, worauf R\doi, nachdem es ihm g<strong>ro</strong>ßäugig gelungen war, zu<br />

erkennen, worum es hier ging, zur Verblüffung und Empörung des Untersuchers<br />

in ein nervöses, unkont<strong>ro</strong>lliertes, irrsinniges, aber auch erleichtertes Gelächter<br />

ausbrach – nach einer so langen und harten Anspannung.<br />

„Aber ich bitte Sie, Herr“, sagte er und wischte sich die Tränen aus den<br />

Augen, „das ist doch ein Spaß meiner Mutter. Wieso haben Sie das denn nicht<br />

gemerkt?“<br />

„Was? Ein Spaß? Was ist das denn für ein Spaß mit Geköpften?“, hielt<br />

dieser dagegen, wohl ahnend, dass sein ganzes Szenario, das er mit soviel<br />

Imagination zurechtgezimmert hatte, den Bach runter gehen konnte.<br />

Worum ging es denn? Vor Jahren, bevor er an die F<strong>ro</strong>nt musste, in die<br />

unglückliche Don-Kampagne, fuhr er aufs Land zu seinen Eltern, Gutsbesitzer<br />

aus Teleorman, um Abschied zu nehmen. Vor seiner Abreise und nach einem<br />

pantagruelischen Festmahl, das ausgiebig mit Teleormaner Wein begossen<br />

worden war, versprach unser Held – beschwipst, euphorisch und mit etwas<br />

klebrigem Mund – seiner Mutter feierlich – so wie man nur bei viel Alkohol etwas<br />

versprechen kann, er werde ihr von der F<strong>ro</strong>nt die Köpfe zweier mit dem eigenen<br />

Säbel enthaupteten Bolschewiki schicken. Das war ja nun noch nichts<br />

Ernsthaftes. Was sagt der Mensch nicht alles im Trunk. Allein, seine Mutter hatte<br />

in einem Brief nichts Besseres zu tun, als ihn lachend an die Atmosphäre seines

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!