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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 192<br />

49. „ER HAT IN DIE KERZE GEBLASEN“<br />

Der Abschluss der Rekrutierungen für die neugeborene Division brachte<br />

auf keinen Fall eine Entspannung an der F<strong>ro</strong>nt der politischen Aggression gegen<br />

das Gewissen derer, die wir zurückgeblieben waren. Im Gegenteil, diese Aktion<br />

wurde mit noch fieseren und heimlicheren Mitteln fortgesetzt, der Verhörsdruck<br />

auf die Opfer wurde von überredungstechnischen Einkreisungen seitens ihrer<br />

antifaschistischen Freunde und Kameraden gedoppelt. Verließ das Subjekt die<br />

Wringmaschine der Enquete, lief es den falschen Kumpeln in die Arme, die es<br />

einer dem anderen weiterreichten, wie in einem irren „Spießrutenlauf“, und es mit<br />

Kapitulationsratschlägen vergifteten oder ihm mit schwarzen Perspektiven<br />

Schrecken einjagten, bis der arme Mann, war er etwas weniger standfest,<br />

kapitulierte.<br />

Wir, die wir die Mehrheit stellten, merkten erst gar nicht diesen<br />

Stilwechsel. Bei einigen von uns stellten wir allerdings gewisse neu<strong>ro</strong>psychische<br />

Störungen fest, die das Verhalten vor allem in „politischer“ Hinsicht beeinflussten.<br />

Es war, als hätte ein unbekanntes Virus das Lager heimgesucht, um bei den<br />

Kontaminierten folgende Symptome hervorzurufen: Insbesondere abends vor<br />

dem Schlafengehen begann der Patient im Kreise der Bettnachbarn gegen die<br />

Einmischung des Politischen in unsere Gewissensfragen aufzubegehren,<br />

prangerte die Mission der T.-V.-Division an, mit Gewalt den Kommunismus in<br />

unser Land einzuführen, und schwor, eher den Tod zu akzeptieren, als ein<br />

Komplize dieses monströsen Verbrechens zu werden. Den pathetischen Endsatz<br />

rief er mit edler Empörung und Schweißperlen auf der Stirn aus. Der<br />

Zapfenstreich wurde eingeläutet; wir k<strong>ro</strong>chen unter unsere Decken; einige von<br />

uns beteten, möge der Herr im Himmel uns vor dem Bösen und seinen Geistern,<br />

welche nachts umgehen, behüten. Standen wir morgens auf, fanden die<br />

Bettnachbarn des vom Synd<strong>ro</strong>m Berührten… dessen Pritsche leer vor. Die<br />

Männer, die Nachtwache gehalten hatten, erklärten, dass nach Mitternacht zum<br />

Verschwundenen tote Seelen, Mo<strong>ro</strong>is 94 , Gespenster, Nachtgeister gekommen<br />

waren, mit denen er sich eine Weile unterhalten habe, dann seien sie zusammen<br />

mitsamt Gepäck zur Lordkammer (dem separaten Schlafsaal der „Freiwilligen“,<br />

im Obergeschoss des Gebäudeblocks I) gegangen.<br />

Mit dieser Gelegenheit versammelten sich jene, die dem Verschwundenen<br />

näher gestanden hatten, um das leere Bett, so wie man sich um ein Grab<br />

versammelt, und vollzogen das Totenamt nach christlichem Brauch, indem sie<br />

für ihn ernst und herzzerreißend das Abschiedsklagelied „Ve[nic\ pomenire!” 95<br />

sangen. Dann das Lied „Dumnezeu s\-l ierte!“ 96 und „Fie-i ]\r=na u[oar\!“ 97 ,<br />

wonach die Männer sich bekreuzigend auseinander gingen und keiner mehr zum<br />

leeren Bett zurückblickte.<br />

94 Eine Art Zombies, gemäß rumänischem Aberglauben aus dem Grab gestiegene Tote.<br />

95 „Ewige Andacht!”<br />

96 „Gott vergebe ihm!”<br />

97 „Sanft bedecke ihn die Erde!”

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