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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 189<br />

ihn auch tun? Wir waren noch nicht für Massenp<strong>ro</strong>teste organisiert. Ein Jahr<br />

später aber hätten wir anders reagiert.<br />

Und tatsächlich, er wurde verurteilt. Ich weiß nichts Näheres, denn auch<br />

ich sollte im nächsten Herbst Oranki verlassen, ich weiß aber, dass er<br />

zusammen mit der Mehrheit der rumänischen Gefangenen 1948 repatriiert<br />

wurde. Wahrscheinlich war er begnadigt worden. Nach Rumänien zurückgekehrt,<br />

verliert sich seine Spur. Und es beginnen die Legenden. Ich gebe sie auch<br />

wieder, dem Gesamtbild zuliebe. Es heißt, er habe Verbindung mit dem<br />

Widerstand in den Bergen aufgenommen, und zwar mit der berühmten<br />

Widerstandsgruppe um Oberst Arsenescu. Dieser brauchte, um seine Aktionen<br />

durchführen zu können, Geld, und Alecu habe sich überlegt, ihm dieses Geld in<br />

eigenem Stile zu beschaffen, durch bewaffnete Raubüberfälle auf die<br />

existierenden Geldquellen des kommunistischen Staates (Finanzverwaltungen,<br />

Banken). Bei einer solchen Aktion hat er wohl infolge eines Schusswechsels mit<br />

der Securitate 90 seinen Tod gefunden. Die Geschichte passt perfekt zum Bild des<br />

Gentilhomme cambrioleur aus dem Lager. Sie passt fast zu gut, um auch wahr<br />

zu sein. T<strong>ro</strong>tzdem… wer weiß? Vielleicht stimmt’s ja genau so. Jedenfalls hörten<br />

weder ich, noch andere Orankigefangene in all den Gefängnissen, durch die uns<br />

der <strong>ro</strong>te Teufel schleifte, je von einem Häftling Alecu Cosma. Und da ich mir<br />

Cosma nicht in Freiheit vorstellen kann, brav zu Hause sitzend, wo das ganze<br />

Land in Aufruhr ist, muss er wohl die Welt verlassen haben… um zur Legende zu<br />

werden. 91<br />

Auch Petric\ Ilie war ein „Altgefangener“. Er war schmächtig und klein wie<br />

ein Kind, hatte braune Augen mit lebendigem, intelligentem Blick, sowie krause,<br />

schwarze Haare und war (oder schien) sehr jung. Ich weiß nicht, ob der Krieg<br />

ihm Zeit gelassen hatte, sein Philosophiestudium zu beenden. Ich erinnerte mich<br />

sehr vage an ihn aus den Seminaren Nae Ionescus 92 , dessen Student und<br />

Schüler er war, denn er sprach von Ionescu mit der Gläubigkeit, mit welcher<br />

Plato und Xenophon von Sokrates sprachen. Er hatte sich die gleichermaßen<br />

strenge und bis zur Extravaganz paradoxe Dialektik des Meisters angeeignet, mit<br />

der er an die Fragen der Zeit aus metaphysischer Perspektive heranging, in<br />

deren Filigran man die faszinierende Figur Nae Ionescus erkennen konnte (wie<br />

90 Der neue, kommunistische Geheimdienst.<br />

9191 Nach dem Erscheinen des vorliegenden Buches ergänzte und berichtigte der Marinekommandeur Mihai<br />

Chiri"!, ehemaliger Oranki-Gefangener und Militärschulkollege von Alecu Cosma, meine Informationen<br />

letzteren betreffend. Es gab tatsächlich einen Schusswechsel vor einer Bank zwischen Cosma und<br />

Geheimdienstlern der Securitate, er wurde jedoch nicht erschossen, sondern gefangen genommen, zu vielen<br />

Gefängnisjahren verurteilt und an den Donau-Schwarzmeerkanal geschickt. Eines Tages befand er sich mit<br />

einem Haftkameraden in einem Eisenbahnwaggon, der Erde transportierte, die beiden stürzten sich auf den<br />

wachhabenden Milizmann, fesselten und knebelten ihn, sprangen in einer Kurve, wo die Geschwindigkeit<br />

des Zuges dies zuließ, aus dem Zug und verloren sich in der Dürrelandschaft der Dob<strong>ro</strong>gea. Danach<br />

überquerte Alecu die Donau Richtung Moldau und schloss sich einer Partisanengruppe an, die in einer<br />

unweit von seinem Geburtsdorf liegenden Region tätig war. Die Sehnsucht nach seiner Mutter ließ ihn<br />

jedoch unvorsichtig werden. Eines Nachts schlich er sich an sein Elternhaus heran. Damit hatte die<br />

Securitate gerechnet und das Gebiet bzw. den teuersten Ort Alecus, sein Elternhaus, mit ihren Häschern<br />

umspannt. Im darauf folgenden Feuerwechsel wurde Alecu Cosma tödlich get<strong>ro</strong>ffen. Die war sein wahres<br />

Ende. Er ruhe sanft!<br />

92 N.I. (1890-1940), Philosoph und Universitätsp<strong>ro</strong>fessor und als solcher Mentor der so genannten «Jungen<br />

Generation» (Mircea Eliade, E. M. Cioran, Mihail Sebastian etc.).

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