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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 325<br />

mitteilte, war im Januar 1945 aus Oranki weggebracht worden, und zwar<br />

zusammen mit einer kleinen Gruppe bestehend aus Rechtsanwalt Krupenski,<br />

dem Lehrer B=rzu sowie dem exzellenter Bariton Nicolae R\doi, dessen<br />

unvermittelte Hopsnehmung aus dem Ensemble meiner Operette Der Basar der<br />

Illusionen uns enorm geschockt und fast das Ende unseres Schauspiels<br />

bedeutet hatte. Man kann sich vorstellen, dass ich voller Ungeduld darauf<br />

wartete, ihn wiederzusehen. Es gab da noch andere rumänische Offiziere, die es<br />

aus anderen Lagern hierher verschlagen hatte, zwar nicht viele, aber genug,<br />

damit es unter ihnen auch eine Gruppe von Antifaschisten gab, ja sogar eine<br />

Wandzeitung mit dem pompösen Namen Curentul democratic (Die<br />

demokratische Strömung, ein klägliches Blättchen mit Kollagen von Artikeln, die<br />

aus einer noch kläglicheren P<strong>ro</strong>pagandazeitung für die rumänischen Gefangenen<br />

ausgeschnitten wurden, welche ihrerseits – als Gipfel der Frechheit – Cuv=ntul<br />

liber/ Das freie Wort hieß). Der Chef der winzigen Antifagruppe und auch<br />

Redakteur der Demokratischen Strömung war ein schmieriger, schmutziger,<br />

triefäugiger Kerl, der sich unentwegt die Nase und die gelben Augen wischen<br />

musste. Er kam täglich zu uns (obwohl wir uns ja angeblich in Quarantäne<br />

befanden) und unterhielt sich mit gewissen zwielichtigen Gestalten aus unserer<br />

Gruppe, darunter auch mit Major Apostolache. Ich wies ihn darauf hin, dass er<br />

das Reglement übertrat, befanden wir uns doch in Quarantäne, andererseits<br />

könne er uns mit seiner Grippe anstecken. Er tat so, als verstünde er meine<br />

Anspielungen nicht, also bat ich ihn, mir zu erlauben, ihm ein Epigramm<br />

vorzulesen. Und mit dem Einverständnis der Baracke legte ich los:<br />

„Die Nase rinnt dir, du hast Fieber,<br />

Bist so bleich und verschnupft.<br />

Dir hat’s wohl, mein Lieber,<br />

Von der Demokratischen Strömung gezogen.“<br />

Die Pritschen bogen sich vor Lachen, und der Typ (an dessen Namen ich<br />

mich nicht erinnere) zog mit eingezogenem Schwanz ab, allerdings nicht ohne<br />

mich vorher giftig anzublicken. Von da an störte er uns nicht mehr in der<br />

Quarantäne.<br />

So kam es, dass unsere Quarantänezeit ohne weitere Vorfälle verstrich,<br />

mal abgesehen von den paar nächtlichen Vorstellungen Moiseis mit dem<br />

Tschassowoj, der ihm nach fixem Drehbuch erst die Uhr stahl und dann<br />

zurückgab. Ach ja, zu erwähnen wären noch die täglichen Anträge, mit denen<br />

Mitic\ B\lan die Verwaltung bombardierte, von der er die Rückerstattung seines<br />

konfiszierten Französischlehrbuchs forderte. Auf die man ihm durch den Offizier<br />

vom Dienst invariabel antwortete, dass die Sonde<strong>ro</strong>rdnung des Lagers es den<br />

Gefangenen verbiete, Bücher zu haben, dass ihnen aber zu ihrer politischen<br />

Bildung die Lagerbibliothek zur Verfügung stehe.<br />

Schließlich verstrichen auch die drei Wochen der „Quarantäne (!)“, und wir<br />

fragten uns, was weiter mit uns geschehen würde. Mit Sicherheit würde die<br />

Verwaltung Druck auf uns ausüben, damit wir uns den Arbeitsteams<br />

anschlossen, die im Wald Holz fällten. Aber genau davor schreckten wir zurück.<br />

Zum einen, weil die aufgezwungenen „sklavischen“ Bedingungen diese Arbeiten

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