04.09.2013 Aufrufe

radu m|rculescu - Memoria.ro

radu m|rculescu - Memoria.ro

radu m|rculescu - Memoria.ro

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 161<br />

G<strong>ro</strong>ßen und Ganzen, die Ausnahmen ausgenommen) auch die moralische<br />

Widerstandskraft. So erklärt es sich denn auch, dass am Ende jenes<br />

schrecklichen Winters und nach dem verwüstenden Typhus, als man in einem<br />

Zustand der Apathie und der Abnabelung lebte, eine Auflehnung gegen diesen<br />

brutalen Eingriff der Verwaltung undenkbar war. Sie hätte eine tödliche<br />

Konf<strong>ro</strong>ntation mit der Sowjetmacht des Lagers bedeutet, welche alle<br />

Repressionsmittel in der Hand hielt, wovon es ausreicht, wenn ich die Isolierung<br />

in der Alba erwähne (der Karzer bedeutete kaputte Fenster bei minus zehn,<br />

minus zwanzig Grad Celsius draußen, raureifweiße Wände und einmal p<strong>ro</strong> Tag<br />

hundert Gramm B<strong>ro</strong>t und einen Pott gef<strong>ro</strong>renen Tee). 78 Und da keiner<br />

ausreichend Kraft besaß, sich unter diesen Umständen mit den Sowjets zu<br />

messen, mussten unsere Jungs, den internationalen Konventionen zum T<strong>ro</strong>tz<br />

(die ja auch von den Sowjets unterzeichnet worden waren und die<br />

Nichtarbeitspflicht für die gefangenen Offiziere stipulierten), ob sie nun wollten<br />

oder nicht, sich diese demütigenden Zügel der Sklavenarbeiten auflegen lassen;<br />

erst jene in Oranki, dann, als die Arbeit da schlicht Tatsache war, auch wir vom<br />

Skit.<br />

Interessanter jedoch ist, dass die Sowjets, obschon sie uns die<br />

schwersten Arbeiten auferlegten, behaupteten, sie hätten uns nie arbeiten<br />

geschickt, wir seien bloß zu unserer Selbstversorgung tätig gewesen. Sie<br />

respektierten, meinten sie, die Haager Konvention, und haben uns nie zu<br />

arbeiten gezwungen. Dass wir die Wälder rings um Oranki ge<strong>ro</strong>det haben, so<br />

dass die Arbeiter am Bahnhof Sonika kaum noch mit dem Verladen der von uns<br />

gefällten Baumstämme in die Waggons nachkamen, um ins ganze Land<br />

verschickt zu werden, das war keine Arbeit; das war Selbstversorgung. Hätten<br />

die Herren Offiziere nicht eigentlich Bäume fällen müssen, um Brennholz zur<br />

Heizung der Schlafsäle zu haben? Wenn wir eine Menge Kartoffelfelder<br />

umgegraben und die Keller der Kolchosen gefüllt haben, dass war ebenfalls<br />

Selbstversorgung. Die Kartoffeln, die wir in unseren Näpfen fanden, mussten die<br />

denn nicht auch geerntet werden? Und auf diese Weise wurde diese<br />

Selbstversorgung wie ein Gummi gedehnt und gedehnt, so dass wir damit bis<br />

nach Sibirien hätten gelangen können, um aus den Bergwerktiefen den Merkur<br />

für die Thermometer zu fördern, mit denen wir bei Krankheit unsere Temperatur<br />

maßen.<br />

Was den Transport der Lebensmittel und des (von uns gefällten)<br />

Brennholzes für das ganze Lagerpersonal, inklusive für die Gardekantine, betrifft,<br />

auch dies war Selbstversorgung. „Was denn, sie bewachen euch doch!“, klärte<br />

uns einmal ein Kommissar namens Birman auf. „Indem ihr jene versorgt, die<br />

euch bewachen, versorgt ihr euch, das ist Selbstversorgung.“<br />

Mit diesen weisen Worten offenbarte sich mir der Unterschied zwischen<br />

der jüdisch-christlichen Hölle und der sowjetischen. In der ersteren spielen die zu<br />

ewigen Qualen Verdammten eine passive Rolle. Sie kochen in den siedenden<br />

Pechkesseln, das ist alles. Der Rest, wie etwa das Heranschaffen und Spalten<br />

78 Die Konf<strong>ro</strong>ntation sollte jedoch etwas später unter genau so schweren Umständen stattfinden, allerdings<br />

mit besserer Moral in unseren Herzen. Deswegen gelang es uns auch, nach leidvollen Kämpfen, das Joch<br />

dieser Sklavenarbeit abzuschütteln. Darüber aber später. (Anm. d. A.)

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!