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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 335<br />

Constantinescu den Anfang, und ihm folgten Titu Preotu, Soso C\tuneanu,<br />

Liiceanu und andere. Knapp und entschieden erklärte jeder seine totale und<br />

endgültige Verpflichtung, bis zum Ende durchzuhalten.<br />

Schließlich kam die Reihe an }ena, ein junger Unterleutnant, der erst vor<br />

kurzem wegen Arbeitsverweigerung zu uns hinzugekommen war. Dieser erklärte<br />

uns schmerzerfüllt, dass er, obwohl einverstanden mit dem Hungerstreik, daran<br />

nicht teilnehmen könne, da er eine Kugel in der Lunge habe. Außer, fügte er<br />

hinzu, wir betrachteten seine Teilnahme als unerlässlich.<br />

Diese Geste rührte uns alle. Wir dankten ihm für seine Solidarität und<br />

baten ihn, am Hungerstreik nicht teilzunehmen. Nachdem auch die Leutnants<br />

und Hauptmänner gesp<strong>ro</strong>chen hatten, kam die Reihe an die hochrangigen<br />

Offiziere, unsere alten Heiligen, die – g<strong>ro</strong>ßzügig und ohne Hintersinn – es sich<br />

nicht nehmen ließen, mit ihren geringen physischen Ressourcen in allen<br />

Schlachten an unserer Spitze zu bleiben, um Seite an Seite mit uns das Unheil<br />

aller Repressalien zu ertragen. Es sprachen der Reihe nach Major Costin<br />

Dumitrescu (das „Kind“), die Obersten Stelian Dumitriu, Mar]ian, {tefanovici, der<br />

erst vor kurzem an Mastoiditis operiert und aus der Krankenstube in die Höhle<br />

unseres Isolators gesteckt worden war, Cojan, Po[ulescu, Grigu]\ R\dulescu und<br />

als letzter und rangältester Cezar Hagiopol. Alle verpflichteten sich total für einen<br />

bis zum Ende geführten Streik. Es wurden auch dessen Ziele festgelegt: Die<br />

schriftliche Anerkennung seitens der Verwaltung, dass wir, die Offiziere, nicht<br />

gezwungen waren, zu arbeiten, und unsere Unterbringung in einer anderen<br />

Baracke. Angesichts dessen, dass der NKVD im Laufe der Untersuchungen<br />

einige in den Karzer zu stecken pflegte, um sie dann dort zu vergessen,<br />

verpflichteten wir uns zusätzlich dazu, den Streik (für den Fall, dass unsere<br />

Forderungen erfüllt wurden) nur gemeinsam aufzugeben.<br />

Zum Abschluss der Diskussionen erzählte Mitic\ Vonica, ein Rechtsanwalt<br />

aus Hermannstadt 144 , mit Einwilligung aller Anwesenden und zu deren<br />

Erheiterung die Anekdote von Avram Iancus 145 kürzester Rede, die er unter<br />

ähnlichen Umständen gehalten hatte.<br />

„Es war am Vorabend der Revolution von1848“, begann Vonica seine<br />

Geschichte. „Die führenden Köpfe der rumänischen Gemeinschaften hatten sich<br />

in einem Saal versammelt, um die Frage zu diskutieren, ob sie an der Revolution<br />

teilnehmen sollten oder nicht: Wenn ja, dann wann? Jetzt oder später? Und unter<br />

welchen Bedingungen? Iancu hörte ihnen geduldig zu, dann bat er um Erlaubnis,<br />

auch zu sprechen. Diese wurde ihm erteilt, und er fragte von der Tribüne<br />

herunter den ganzen Saal: «Na, seid’s fertig?». Und der ganze Saal antwortete<br />

im Chor: «Fertig.» «Na, geh’n wir!», sagte Iancu, stieg von der Tribüne herunter<br />

und verließ den Saal, und das ganze Volk ihm nach. Nun“, sagte Vonica am<br />

Ende der Anekdote, „erlaubt mir, euch auch die Frage Iancus zu stellen: «Na,<br />

seid’s fertig?»“<br />

„Feeertig!“, antworteten wir alle lachend.<br />

„Na, geh’n wir!“, befahl Vonica im Stile Iancus.<br />

144 Sibiu.<br />

145 Avram Iancu (1824-1872) war ein rumänischer Rechtsanwalt und einer der Führer der Revolution von<br />

1848-1849 in Siebenbürgen.

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