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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 110<br />

indiskreten Fragen an, wodurch die Verwaltung ihre Nase in die engste Intimität<br />

unserer Biographie stecken konnte.<br />

„Ich glaube, es war ein g<strong>ro</strong>ßer Fehler, auf diesen missbräuchlichen<br />

Fragebogen ehrlich zu antworten“, meldete sich ein etwas älterer Hauptmann,<br />

ein Stabsoffizier, zu Wort, der noch nicht befragt worden war. „Wozu sollen wir<br />

ihnen denn Auskunft über Ehefrau, Kinder, Güter geben? Dadurch tun wir nichts<br />

anderes, als unsere empfindlichsten Stellen offen zu legen, so dass sie wissen<br />

werden, wie sie uns verletzen oder erpressen können.“<br />

„Und was hätten wir tun sollen?“, fragte jemand. Die Antwort erhielten wir<br />

von der Dienst habenden Mannschaft, welche beim Essenholen von den<br />

höheren Offizieren und von den „Altgefangenen“ heimlich zwei Botschaften mit<br />

dem gleichen Inhalt erhalten hatten: Gemäß der Internationalen Haager<br />

Konvention, die auch von der UdSSR unterzeichnet worden war, ist der<br />

Gefangene nur dazu verpflichtet, den Name, den Rang und die Einheit, der er<br />

angehört, anzugeben. Soviel und nichts weiter. So kam es, dass, als unsere<br />

graziösen Fragestellerinnen die Arbeit wieder aufnahmen, der Hauptmann und<br />

zwei weitere Gefangene, nachdem sie Name, Einheit und Rang angegeben<br />

hatten, sich weigerten, die restlichen Fragen zu beantworten, indem sie sich auf<br />

die Haager Konvention beriefen. Die Genossinnen schienen überrascht. Ihrer<br />

Antwort, die von den Dolmetschern mehr schlecht als recht übersetzt wurde, war<br />

zu entnehmen, dass eine solche Haltung Repressalien seitens der Verwaltung<br />

nach sich ziehen könnte (das hatten sie eigentlich gar nicht gesagt, sondern sich<br />

nur darauf beschränkt, uns darauf hinzuweisen, dass sie nur angehalten worden<br />

waren, die Fragebögen komplett auszufüllen). Auf die deutliche, aber höfliche<br />

Weigerung der drei Gefangenen und den Schwall von Fragen unsererseits hin<br />

(„aber warum interessieren sie unsere Ehefrauen und unsere Kinder, unsere<br />

Adressen?“ sowie andere genauso unbequeme Fragen), nahmen die<br />

Beamtinnen, wohl müde und von der Sache überfordert, eine konzessivere<br />

Haltung ein und erklärten, wir könnten antworten, auf welche Fragen wir wollten,<br />

denn die Verantwortung für unsere Angaben liege gänzlich bei uns, täten sie<br />

doch nichts anderes, als diese aufzuschreiben. Auf diese Weise wurde die<br />

Befragung denn in den von uns geforderten Bedingungen wieder aufgenommen.<br />

Doch erfreuten sich dieser bloß eine Minderheit, war doch die Mehrheit, darunter<br />

auch der Erzähler dieser Ereignisse, bereits getäuscht worden. Und wer trug die<br />

Schuld dafür? In den sieben Jahren, seit ich den Militär<strong>ro</strong>ck angezogen hatte und<br />

voll gestopft war mit Theorie, Reglements und Exerzierübungen, hatte mir<br />

niemand auch nur ein Wort darüber gesagt, was denn ein Soldat zu tun hat, der<br />

in Gefangenschaft gerät; welches seine Rechte und seine Pflichten gegenüber<br />

dem Staat sind, der ihn gefangen hält; welches die Gesetze oder internationalen<br />

Konventionen sind, welche diese Beziehungen regeln. Kein Wort wurde jemals<br />

zu diesem Thema gesagt. Mit der Möglichkeit, in Gefangenschaft zu geraten,<br />

rechneten die Führer unserer Armee gar nicht erst. Aber leider war die<br />

Gefangenschaft eine Tatsache, welche hunderttausende von rumänischen<br />

Soldaten bet<strong>ro</strong>ffen hat. Es hätte viel bedeutet für diese, zu wissen, dass sie nicht<br />

der Willkür des Feindes ausgeliefert sind, sondern unter dem Schutz eines<br />

Gesetzes stehen.

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