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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 523<br />

schicken, zuallererst die Deportierten. Dann kamen die Soldaten an die Reihe,<br />

und letztendlich waren auch wir, die Offiziere, dran.<br />

Mirceas (des Quästors) Nachrichtendienst funktionierte tadellos, so dass<br />

wir über seine Polizei-Milizionäre bereits zwei, drei Tage im Voraus wussten, was<br />

für eine Gruppe denn für die Freilassung zusammengestellt werden und wer von<br />

uns dazugehören sollte.<br />

Das Auswahlkriterium war jenes der Gefährlichkeit; zuerst kamen jene, die<br />

als harmlos galten, dann jene mit zunehmendem Gefährlichkeitsgrad. Die<br />

Gefährlichsten aus der Sicht der Machthaber wurden stets nach hinten<br />

geschoben.<br />

So trennte ich mich nach und nach – f<strong>ro</strong>h, dass sie nun aus diesem Pferch<br />

freikamen, aber auch traurig über die mitunter endgültigen Trennungen – von<br />

einem guten Teil meiner Freunde und Kameraden, all meinen Streik-, Karzer-,<br />

Isolatorgenossen, von Vonica, von Nelu Teodorescu, von Ciutea, dem<br />

Langstreckeneinzelkämpfer, von L\z\rescu, Gri[a Coban, den Domb<strong>ro</strong>voski-<br />

Brüdern und so vielen anderen. Zurückgeblieben war eine etwa 25, 26 Mann<br />

starke Gruppe, der Kern der P<strong>ro</strong>testler und Streikenden aus dem Isolator von<br />

Oranki, woher wir vor fünf Jahren auf unsere Irrreise aufgeb<strong>ro</strong>chen waren, ein<br />

Lustrum unseres Lebens. Es war wie verhext, wir kamen einfach nicht an die<br />

Reihe! „Warum wohl?“, fragten wir uns mit gespielter Naivität.<br />

Nach und nach hatte sich das Lager fast geleert. Die Baracken waren so<br />

gut wie verlassen, nur wir, die Gründer, sowie ein paar Siebenbürger Sachsen<br />

und ein Häufchen Soldaten, mit wer weiß was auf dem Kerbholz, waren noch da.<br />

Es hatte schon seit langem keinen Freilassungstransport mehr gegeben, und wir<br />

hatten jetzt schon Mitte Juli.<br />

Eines Nachts stellten wir das Radio eines der Siebenbürger Sachsen auf<br />

Radio London ein. Da nur noch wir da waren, hüteten wir uns vor niemandem<br />

mehr, und zu unserer g<strong>ro</strong>ßen Verblüffung hörten wir den Sprecher, wie er die<br />

Auflösung des Gefangenenlagers von Bragadiru verkündete und dass die<br />

verbliebenen Offiziere zur Arbeit an den Kanal gebracht werden würden.<br />

Genannt wurden sogar ein paar höhere Offiziere aus unserer Gruppe.<br />

„Mann, die lügen ja auch wie gedruckt. Die haben sogar die Genossen<br />

übert<strong>ro</strong>ffen. Wenn auch ihre restlichen Nachrichten von diesem Kaliber waren,<br />

na dann gute Nacht, Radio London“, meinte verd<strong>ro</strong>ssen einer von uns.<br />

Tags darauf brachte uns der Quästor, der die ganze Nacht über mit<br />

seinem Mann, dem Dienst habenden Miliz-Polizisten des Lagers, geplaudert<br />

hatte, Neuigkeiten.<br />

„Über ein paar Tage“, sagte er, „wird eine letzte Freilassungs-Gruppe<br />

gebildet. Ihr werden sehr wenige angehören. Und keiner von uns. Wir, die<br />

anderen, werden in eine Zuggarnitur verladen und an den Kanal, nach Kap<br />

Midia, gebracht werden.“ Wir waren paff…<br />

Wie denn, mit welchem Recht hatten sie unseren von den internationalen<br />

Gesetzen geschützten „Kriegsgefangenen“-Status aufgehoben, um uns in einen<br />

neuen – den von „Häftlingen“ – zu stecken? Und aufgrund welchen<br />

Gerichtsurteils waren wir denn zu Zwangsarbeit verurteilt worden? Welche<br />

Gesetze dieser neuen Macht hätten wir denn in den sechs, sieben Monaten<br />

unserer Existenz auf heimischem Boden übertreten können, wo wir doch nicht

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