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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 136<br />

32. EIN HOHER NKVD-BESUCH<br />

An einem der Quarantänetage ehrte eine wichtige Größe der<br />

Zentralverwaltung unser Lager mit einem Besuch, und die betreffende Person<br />

ließ es sich nicht nehmen, auch unseren Schlafsaal aufzusuchen, wahrscheinlich<br />

weil sie gehört hatte, dass es der einzige typhusfreie Saal war. Dass es ein<br />

„g<strong>ro</strong>ßes Tier“ war konnte man nicht nur daran erkennen, dass der Mann einen<br />

Haufen Sterne auf den Schultern trug, sondern auch an der unterwürfigen<br />

Haltung Grischtschiuks, der jedes Mal, wenn er angesp<strong>ro</strong>chen wurden, in<br />

Habachtstellung ging. Der etwas lockerere und gesprächigere Lager-Starsch,<br />

Major Popescu, schlug vor, uns, die Insassen dieses Schlafsaals ohne<br />

Typhusfälle, ganz aus dem Aktionsradius der Seuche zu nehmen und in einen<br />

Skit 67 , ein Nebenlager von Oranki, zu bringen, das etwa 4-5 km weit mitten im<br />

Wald lag und wo, unter den dortigen Gefangenen, ebenfalls keine Erkrankungen<br />

aufgetreten waren. Seine Exzellenz befürwortete den Vorschlag und wandte<br />

sich, wohl überlegend, sie habe hinreichend die abgestandene Luft unseres<br />

Gefangenenschlafsaals eingeatmet, dem Ausgang zu, voran seine Adjutanten,<br />

mit Grischtschiuk an der Spitze, gefolgt vom Dienstoffizier und Major Popescu.<br />

(Das war das P<strong>ro</strong>tokoll bei den Sowjets: der Chef folgte seinem Gefolge, welches<br />

ihm den Weg eröffnete und seine P<strong>ro</strong>tektion sicherte.) Als er aber fast schon an<br />

der Tür war (das Gefolge war bereits draußen), wurde seine Exzellenz, t<strong>ro</strong>tz des<br />

heiligen Ter<strong>ro</strong>rs, welchen ihre erlauchte Person ausatmete, von einem unserer<br />

älteren Offiziere angesp<strong>ro</strong>chen, der sie höchst respektvoll – in russischer<br />

Sprache – darum bat, etwas melden zu dürfen. Der General – denn dies muss<br />

wohl sein Rang gewesen sein – hielt, stumm vor Empörung, dass ein<br />

Kriegsgefangener es gewagt hatte, Ihn anzusprechen, inne. Unser Offizier nahm<br />

das Schweigen als Zustimmung und redete los (in rumänischer Sprache jetzt,<br />

und ein Dolmetscher übersetzte Satz für Satz). Im Wesentlichen wies unser<br />

Sprecher den hohen Gast darauf hin, dass die Ernährung völlig unzureichend<br />

war, wies sie doch bei weitem nicht die notwendigen, den elementarsten Normen<br />

entsprechenden Kalorien auf, und dass dieser Zustand zum physischen Verfall<br />

durch Aushungerung geführt habe, den seine Herrschaft ja persönlich feststellen<br />

könne (und da er dies sagte, zeigte er auf unsere von Ödemen aufgedunsenen<br />

Gesichter und die knochendürren Silhouetten).<br />

„Wir werden durch Aushungerung einem Zerstörungsregime unterzogen<br />

und dies spricht gegen das Ansehen der UdSSR, die ja völlig zu Recht als die<br />

«menschlichste» der Welt gilt“, schloss diplomatisch und geschickt der alte<br />

Offizier. Der hohe Gast konnte nun nicht mehr mit der NKVD-typischen<br />

Aggresivität auf eine so ernste Anklage reagieren, wo diese ihm doch im Stanniol<br />

eines so schmeichelhaften Kompliments präsentiert worden war. Er gab sich<br />

damit zufrieden, mit i<strong>ro</strong>nischem Tonfall zu erwidern, dass er sich nicht dafür<br />

schuldig fühle, dass wir in so g<strong>ro</strong>ßer Anzahl in Gefangenschaft gefallen waren,<br />

67 Kleines Kloster.

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