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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 277<br />

versuchte er sich erst einmal selber Mut zu machen und wies stotternd darauf<br />

hin, dass Ciutea durch seine Arbeitsverweigerung und den Hungerstreik selber<br />

daran schuld sei. Dies hatte ein P<strong>ro</strong>testgemurmel zur Folge, das zu Flüchen<br />

anschwoll, die ihn erst richtig irritierten.<br />

„Was die Intervention des Hauptmanns betrifft, der unseren sowjetischen<br />

Humanismus ins Lächerliche zieht”, nahm er das Gespräch wieder auf, „das ist<br />

eine Beleidigung für uns, und dafür wird er bestraft werden.” Und zu den<br />

Gardesoldaten sagte er, indem er auf den Hauptmann und auf Ciutea zeigte:<br />

„Dawai Kartzer!” Diese gingen auf die beiden zu, um sie abzuführen, aber der<br />

gesamte Offizierskorps verteidigte sie: „Wir gehen mit in den Karzer!“ Ich weiß<br />

nicht, was passiert wäre, hätte nicht Ciutea um Ruhe und darum gebeten, es<br />

möge niemand sich für ihn einsetzen.<br />

„Ich will nicht, dass jemand meinetwegen leidet. Es reicht, dass ihr<br />

gesehen habt, wie ich ausschaue und nun habt, was ihr der Welt berichten<br />

könnt.“ Dann ging er auf den Offizier zu und sagte ihm ruhig: „Gehen wir!“<br />

Draußen wartete die Tragbahre auf ihn, auf die er sich denn auch hinlegte. Die<br />

Sanitäter warfen die Decken über ihn und brachten ihn ins Spital. Den<br />

Hauptmann, dem es gerade noch gelang, sich Mantel und Mütze zu greifen,<br />

brachten die Gardesoldaten in die Alba.<br />

In jener Nacht gab es ein ständiges Gehen und Kommen. Erst wurden die<br />

Spitzel ins Kommissariat bestellt, um die Namen der Solostimmen zu nennen.<br />

Dann wurden mitten in der Nacht in größter Stille einer nach dem anderen all<br />

jene abgeholt, die nachdrücklich verpetzt worden waren (darunter auch Clement<br />

Borcea). Beim Morgenappell am Tag darauf sprach das gesamte Lager nur vom<br />

„Fall Ciutea“, allen voran die kurz vor der Heimkehr stehenden Österreicher,<br />

darunter sich auch welche befanden, die den Vorfall de visu verfolgt hatten.<br />

Der schwarze Schleier des Geheimnisses – hinter dem die sowjetische<br />

Macht ihr verbrecherisches Werk vollbringen konnte – war vom Kopfe Ciuteas<br />

gezogen worden. Bei vollem Tageslicht entschleiert sich ihre teuflische Macht,<br />

verliert von ihrer Kraft.<br />

Obwohl er im Spital in einem Isolierzimmer gehalten wurde, gelang es<br />

unseren Jungs in der folgenden Nacht, Verbindung mit ihm aufzunehmen und<br />

von ihm zu erfahren, dass er den Hungerstreik aufgegeben hatte. Dies<br />

infolgedessen, dass ihn im Isolierzimmer der Kommandant des lokalen NKVDs<br />

höchstpersönlich besucht hatte (wohl beunruhigt von der Einmaligkeit der<br />

Situation) und ihm mitgeteilt hatte, dass er schleunigst in ein Sonderlager<br />

gebracht werde, wo für die Gefangenen keine Arbeit vorgesehen war.<br />

In derselben Nacht gelang es, Zucker, Schmalz und B<strong>ro</strong>t zu sammeln und<br />

ihm zukommen zu lassen, und in der Nacht darauf erschien er nach dem<br />

Zapfenstreich in Person in unserer Mitte, in Gebäude 7, oben auf der Pritsche,<br />

wo ich meine Schlafstatt hatte. Er trug gute, reine und warme deutsche Kleidung.<br />

Dies wies auf einen kurz bevorstehenden Abtransport hin. Sein Antlitz war,<br />

obschon abgemagert, entspannt und leuchtete vor Freude über den Sieg. Denn,<br />

tatsächlich, er hatte gesiegt.<br />

Gleich einem Schurken, den das Scheinwerferlicht erwischt hatte, sah sich<br />

der lichtscheue NKVD gezwungen, das Opfer aus seinen Krallen zu lassen und<br />

es in ein anderes Lager zu bringen. Es gelang ihm weder, ihn umzubringen,

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