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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 65<br />

Endlich fand das so sehr erwartete Ereignis statt: Ein Laster mit B<strong>ro</strong>t, ein<br />

wirklicher LKW und nicht ein P<strong>ro</strong>dukt akustischen Fehleinschätzung, hielt vor der<br />

Kolonne.<br />

Was dann infolge des Zusammenstosses des B<strong>ro</strong>tautos mit dem Hunger<br />

der Kolonne geschah, ist nicht zu beschreiben. Die Lawine der Verzweifelten<br />

hatte den LKW im Nu völlig eingeschlossen. Die Gefangenen zerrissen die<br />

Wagenplanen, griffen sich ein jeder, so viel er konnte und stürzten weg mit der<br />

Beute, verfolgt von anderen, die sie ihnen wegnehmen wollten.<br />

Unglücklicherweise hatte diese Lawine auch zwei Tschassowojs umgerempelt.<br />

Diese, niedergetrampelt, brüllten voller Schrecken auf, und ihre Kumpel<br />

brauchten keine weitere Aufforderung mehr, um erneut ihre MPs voll in die<br />

Menge zu entladen. Es herrschte erst wieder Ordnung, nachdem frisches Blut<br />

den Schnee verfärbte. Das Auto hatte sich geleert und bloß einigen hundert<br />

Gefangenen war es gelungen, etwas von dem B<strong>ro</strong>t zu ergattern.<br />

An dieser Stelle muss gesagt werden, dass in jenen furchtbaren<br />

Umständen das Ferment der Anarchie und der wilden Entfesselung der<br />

Primärinstinkte von einer Minderheit von gemeinrechtlichen Häftlingen<br />

abgegeben wurde, von Zuchthäuslern mit Mord- und Raubtaten, die aus dem<br />

Lager S\rata (im Süden Bessarabiens), nach einer übereilten Kriegsausbildung,<br />

zur Rehabilitierung an die F<strong>ro</strong>nt geschickt worden waren.<br />

Diese kannten sich untereinander und hatten sich in Banden organisiert.<br />

Sie waren es, die die Leichen der Gefallenen ihrer Kleider beraubten und gegen<br />

uns Offiziere eine feindliche Stimmung schürten, dadurch dass sie uns<br />

törichterweise der Katast<strong>ro</strong>phe am Donbogen anklagten.<br />

Sie waren es, die Antonescu, den König und die gesamte Führung des<br />

Landes verfluchten und den Geist der Aufruhr und der Anarchie schürten,<br />

wodurch sie alle Ordnung unmöglich machten und jegliche Autorität in Frage<br />

stellten, was alles ihre räuberischen Aktionen begünstigte.<br />

Als Beweis hierfür war die Plünderung des B<strong>ro</strong>tlasters, deren Urheber und<br />

vor allem einzige Nutznießer sie waren. Die größte Gefahr befand sich nun nicht<br />

mehr außerhalb der Kolonne, bei den Bewachungssoldaten, die uns bis zum<br />

Überdruss ausgeplündert und erschossen hatten, sondern innerhalb der Kolonne<br />

selber, bei diesem bösartigen Kern von Dieben und Mördern von S\rata, der sich<br />

vor unseren Augen geformt hatte und dessen erste Übeltat wir bereits sehen<br />

konnten. Weder ich, noch die anderen Offiziere, desgleichen getarnt, noch meine<br />

Männer hatten auch nur eine Krume B<strong>ro</strong>t erwischt. Sollte es auch im Falle<br />

anderer LKWs so ablaufen, waren wir verloren. Dieses Gefühl, einer<br />

schurkischen Bande ausgeliefert zu sein, die uns auch in Zukunft das B<strong>ro</strong>t vom<br />

Munde wegnehmen würde, durchfuhr die ganze Kolonne, die aus tausend<br />

Mündern, die nicht einmal soviel ergattern konnten, wie viel der Bissen Messb<strong>ro</strong>t<br />

ausmacht, nach Ordnung zu rufen begann, damit jeder etwas B<strong>ro</strong>t abbekomme.<br />

Plötzlich tauchte am Kopfende der Kolonne ein russischer Offizier in<br />

Begleitung einer Gruppe von Tschassowojs auf, der die verstummende Kolonne<br />

musterte und neben unserer Gruppe stehen blieb. Mit klarer und kräftiger<br />

Stimme forderte er alle rumänischen Offiziere auf, sich bei ihm zu melden.<br />

Seinen Appell wiederholte einer seiner Begleiter in rumänischer Sprache mit<br />

transnistrischem Akzent. Keiner von uns bewegte sich.

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