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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 310<br />

sicher fühlte. Es war eine Ehre, einer solchen geistigen Familie anzugehören, die<br />

aus Leid und Kampf geboren worden, jedoch fest verankert war in den<br />

christlichen Idealen der Liebe und der Solidarität. Inmitten dieser Gruppe fühlte<br />

ich mich geachtet und in Sympathie gebettet, so wie auch ich für alle, die mich<br />

umgaben, Achtung und Sympathie hatte. Dieses warme und lichte Gefühl, unter<br />

den deinen zu weilen, machte das so dunkle Leben der Gefangenschaft<br />

erträglich – ja, gewissermaßen gar angenehm.<br />

Jenseits der Einzäunung ließ ich in Oranki Petric\ Ilie, R\ducanu und viele<br />

andere Freunde zurück, von denen ich mich trennen musste, von manchen für<br />

viele Jahre, von anderen – für immer. Diesseits aber hatte ich neben mir meinen<br />

ehemaligen Gespannpartner am Sklavenschlitten des vergangenen Winters,<br />

Victor Clonaru, dann Nae Cojocaru, das sympathische alte Männlein, Romic\<br />

Vasilescu, das Triplett der Reservesenioren Stoenescu, Tr\istaru und Ispas, und<br />

von den Jüngeren – Titu Preotu sowie den Reiter Gabi Constantinescu und den<br />

dunkelhäutigen Soso C\tuneanu, zu denen Mitic\ Vonica, der Rechtsanwalt<br />

voller Verve und siebenbürgischem Witz, und der Naturkundelehrer Hauptmann<br />

Grin]escu hinzukamen.<br />

Mit solcher Gesellschaft hätte man sich sogar im Bauch eines Wales<br />

ausgezeichnet gefühlt. Derart also drifteten wir etwa zwei einschläfernde<br />

Wochen dahin, bis uns der Rote Leviathan namens Oranki, der uns in seinen<br />

Eingeweiden mehr als dreieinhalb Jahre beherbergt hatte, in die Waggons eines<br />

Phantomzuges erbrach.<br />

Aber bevor wir am fernen Schnittpunkt der Bahnlinien verschwinden<br />

sollten, belebten unser monotones und banales Leben noch mal zwei Vorfälle.<br />

Egal, wie miserabel und aussichtslos unser Schicksal auch war, der NKVD<br />

konnte uns nicht völlig ohne seine Vorsehung lassen. Bis wir aus seinem<br />

Gesichtskreis verschwanden, fühlte er sich dazu verpflichtet, uns politischen<br />

Beistand zu geben. So etwa begann der Agent Nummer 1 Anghelide, die<br />

Schlange mit Brille, wie er genannt wurde, jeden Abend in unserer Baracke, kurz<br />

vor dem Zapfenstreich, Pfauenräder zu schlagen. Diese bösartige Präsenz<br />

entging aber der Wachsamkeit Nae Cojocarus und Nelu Teodorescus nicht. Die<br />

beiden überraschten ihn in einem – für uns durchaus verwirrenden – Tête-à-tête<br />

mit Major Apostolache. Verwirrend, weil dieser in unseren Reihen als ein<br />

unerbittlicher Gegner der kommunistischen Lagerp<strong>ro</strong>paganda galt, hatte er doch<br />

einige Male bei politischen Sitzungen im Klub schneidig und komp<strong>ro</strong>misslos das<br />

Wort ergriffen. Darüber hinaus trat er auch als eine Art Zensor in Sachen<br />

militärische Disziplin und moralische Haltung auf und verurteilte mit aller Härte<br />

jeden Kontakt mit den Freiwilligen. Und nun, siehe da, sah man ihn in einem<br />

intimen Gespräch mit dem Mann des Kommissariats! Wir glaubten unseren<br />

Augen nicht! Dies führte dazu, dass unsere Jungs ihre Aufmerksamkeit<br />

verdoppelten, so dass sie bemerkten, dass der strenge Zensor der Komp<strong>ro</strong>misse<br />

beim Abschied dem Denunzianten heimlich etwas in die Hand drückte, der sich<br />

dann auch sofort auf die Socken machte. Die Jungs, ihm nach. Alle drei vorbei<br />

am verschlafenen Tschassowoj, der ihnen einen süßen Mutterfluch mitgab und<br />

weiter döste. Schließlich holten ihn die Jungs ein.

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