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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 457<br />

128. Die Erlebnisse eines belgischen Komponisten<br />

Obwohl es ein Lager nur für Rumänen war, gelangten auch – zugegeben,<br />

wenige – Nichtrumänen in unsere Siedlung am Pontus Euxinus. Einer davon war<br />

Durrieux, ein belgischer Kapellmeister. Ich vermute, dass er der rechten p<strong>ro</strong>deutschen<br />

Bewegung Degrelles angehört haben muss, denn wie hätte er sonst<br />

während der deutschen Besatzung die Stelle eines Dirigenten in einer der<br />

g<strong>ro</strong>ßen Städte Belgiens innehaben können? Im Zuge des Vormarschs der<br />

Alliierten zog er sich dann mit den deutschen Truppen zurück und ließ sich in<br />

einem Städtchen nieder, in das nach der Kapitulation die Sowjets<br />

einmarschierten. Deren Geheimpolizei kam ihm auf die Spur und steckte ihn in<br />

ein Lager, um ihn in die UdSSR zu deportieren. Alles in allem stieß ihm damit<br />

nichts Besonderes zu, sondern nur, was Millionen von Unglücklichen aus Ost-<br />

und Mitteleu<strong>ro</strong>pa nach der Besetzung durch die „befreienden“ und<br />

„humanistischen“ Sowjettruppen erlebten. Das Unerhörte seines Schicksals<br />

beginnt in dem Moment, als ein sowjetischer General, einer von denen, die in<br />

Berlin einmarschiert waren und die Brust (gleich den schwarzen Generälen<br />

Afrikas) mit Orden voll gesteckt hatte, durch einen Zufall erfuhr, dass sich in dem<br />

Pferch mit den zu Deportierenden auch ein g<strong>ro</strong>ßer Dirigent, Pianist und<br />

Komponist dazu befand.<br />

Unser General nun war nicht irgendein General. Er bekleidete ein hohes<br />

Amt innerhalb der militärischen und politischen Hierarchie, und bereitete sich nun<br />

vor, mit Glorie und „T<strong>ro</strong>phäen“ (Kriegsbeute, Anm. d. A.) beladen in einem<br />

Sonderzug und mit zahlreichem Gefolge – seinem Rang und Wert entsprechend<br />

– heimzukehren, und was ihm fehlte, um dem superben Augenblick des Einzugs<br />

in seine Geburtsstadt den gebührenden Glanz zu verleihen, war nur noch eine<br />

Blaskapelle. Selbstverständlich war es kein P<strong>ro</strong>blem, den Gefangenen Durrieux<br />

ins Gefolge des Generals zu transferieren. Und da ging es ihm keineswegs<br />

schlecht. Wesentlich war für ihn, dass er den Bergwerken im Donbas, Ural oder<br />

aus Sibirien entkommen, welche all jene, aus deren Mitte er mit Engelshand<br />

herausgeholt worden war, für viele Jahre oder für immer verschlucken sollten.<br />

Fürs erste war mit der Blaskapelle nicht viel anzufangen. Die gestohlenen<br />

Instrumente deckten keineswegs den Bedarf. Und was die Musiker betraf, so<br />

konnte man viel zu wenige und dazu schlecht Ausgebildete aus den Reihen der<br />

Soldaten auftreiben, aber auf Anraten unseres Helden sollte man in den „Depots“<br />

der zu Deportierenden Überreste aus ehemaligen Orchestern und Blaskapellen<br />

suchen, was noch ein paar Unglückliche vor dem tödlichen Schlund der<br />

Bergwerke gerettet hätte.<br />

Aber der Aufbruchbefehl wurde unerwartet rückgängig gemacht, und die<br />

persönliche Zuggarnitur des Generals wurde auf ein Gleis gezogen, ohne dass<br />

der Dirigent sein P<strong>ro</strong>jekt hätte beenden können. Damals befürchtete er, man<br />

würde ihn zurück ins „Depot“ bringen, brauchte man ihn doch anscheinend nicht<br />

mehr, aber sein Schutzengel, der diesmal von der Ehefrau des Generals<br />

verkörpert wurde, rettete ihn noch einmal. Denn wir müssen die fürstliche Suite

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