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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 429<br />

118. Zwei Abtransporte<br />

Nach einem Winter, der lang und langweilig wie eine böse Krankheit war,<br />

fanden wir uns an der Schwelle des Sommers wieder. In all dieser Zeit konnten<br />

wir ausgiebig die realen Dimensionen dieser Katast<strong>ro</strong>phe, des Untergangs der<br />

Monarchie, abschätzen, wie auch ihre Auswirkungen für das Schicksal derer, die<br />

wir an dieser von der Welt abgeschnittenen Stätte und verloren in der Weite des<br />

russischen Raumes festsaßen, ihre Bedeutung für unsere<br />

Repatriierungschancen. Welche angesichts der Nachrichten von zu Hause (via<br />

Sowjetpresse): massive Verhaftungen der „Volksfeinde“, „Ausbeuter“,<br />

„Kriegsverbrecher“ oder der Mitglieder der historischen Parteien, Verurteilungen<br />

zum Tode (oder zu vielen Jahren Haft, die auch zum Tode führten), verblassten,<br />

zunehmend unwahrscheinlicher wurden. Tatsache war, dass uns niemand<br />

zurückforderte. Wer von den neuen Machthabern, die von den Sowjets an die<br />

Spitze des Landes gehievt worden waren, hätten denn bereit sein können, uns<br />

zurückzufordern? Im Gegenteil, sie alle wären sehr zufrieden gewesen, wenn wir<br />

uns so lange wie möglich, „vielleicht für den Rest des Lebens“, der<br />

Gastfreundschaft der sowjetischen Lager erfreuten. Wozu brauchten sie denn im<br />

Land – wo sie eh schon hinreichend angefochten wurden – eine Reihe von<br />

Bürgern, die dem Kommunismus und seinen Agenten in offener Feindschaft<br />

gegenüberstanden, ja sogar bereit waren, aktiv zu werden, so wie sie dies bis<br />

dahin ausgiebig bewiesen hatten?<br />

Aber während wir in Morschansk über solchen Spekulationen brüteten,<br />

waren in Oranki (genauer: in M=n\st=rka), wo sich die Mehrheit unserer Offiziere<br />

befand, die Früchte des Zorns gereift. Im Vorfeld hatte es individuelle<br />

Hungerstreiks (siehe Ciutea) und den Streik von Oranki im Juni 1946, an dem<br />

auch wir teilgenommen hatten, gegeben. Der Hungerstreik für die Repatriierung,<br />

der G<strong>ro</strong>ße Streik, der minutiös bis ins letzte Detail innerhalb einer fast<br />

zweijährigen Reifung vorbereitet worden war, brach im Februar 1948 aus, zu<br />

Ehren der Feier eines Jahres seit der Unterzeichnung des Pariser<br />

Friedensvertrags, der als Repatriierungstermin „Kak moschna skerej“ angab,<br />

ad litteram übersetzt: „So schnell wie möglich“, in freier Übersetzung: „am St.<br />

Nimmermehrstag.“<br />

Dieser Streik war eine wunderbar solidarische Aktion, die nach und nach,<br />

innerhalb von einigen Tagen, alle Rumänen umfasste. Nach einigen Tagen, in<br />

denen das Lagerspital überfüllt war von auf der Bahre angeschleppten<br />

Streikenden in ernstem Zustand und an denen die Zahl der Teilnehmer nicht<br />

etwa sank, sondern stetig wuchs, musste der Politkommandant der Region,<br />

General Wladimi<strong>ro</strong>w, anreisen, um mit den Streikenden zu reden, und angesichts<br />

ihrer Unerschütterlichkeit ihnen schriftlich, mit Unterschrift und Siegel, das<br />

Enddatum der Repatriierung, den 30. Juni 1948, bezeugen. Und tatsächlich, am<br />

1. Mai kehrte die Mehrheit der rumänischen Gefangenen heim, Offiziere wie<br />

Soldaten. Bleiben mussten kleine Gruppen, die aus Rache durch die

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