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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 42<br />

6. DER ANFANG VOM ENDE<br />

Das ging so fort mit diesem steten Rückzug im Zweitakt, bis ich mit meiner<br />

Abteilung neben eine «schwere» Batterie gelangte, deren Rohre – das war der<br />

Gipfel! –in die Richtung ausgerichtet waren, in die wir uns zurückzogen, so dass<br />

meine sich in Schießstellung befindenden Haubitzen Rücken an Rücken mit den<br />

Haubitzen dieser Batterie standen.<br />

„Was machst du da, Mensch? Wohin willst du feuern?”, rief ich aufgeregt<br />

dem benachbarten Kommandanten (Unterleutnant Vo<strong>ro</strong>nca) zu. „Siehst du denn<br />

nicht, dass der Feind hinter dir steht, da, woher wir kommen?”<br />

„Und du, siehst du denn nicht, dass ihre Panzer auch vor mir stehen?”,<br />

antwortete mir dieser genervt. „Seit heute Morgen ziehe ich mich kämpfend vor<br />

ihnen zurück.”<br />

Ich blickte durch den Feldstecher. Tatsächlich, ihre Panzerwagen waren<br />

auch dort. Mir wurde schwarz vor den Augen. Wir waren eingekreist, gefangen<br />

wie in einer Mausefalle. Jetzt verstand ich die phlegmatische Reaktion der<br />

Panzersoldaten, die es als nutzlos ansahen, sich unseren Geschossen<br />

auszusetzen, wussten sie doch, dass wir bereits mittendrin steckten in ihrem<br />

B<strong>ro</strong>tsack, den sie nur noch zuzuschnüren brauchten. Auch Furtun\ kam<br />

angaloppiert mit seiner Abteilung und wechselte selbst auch die Gesichtsfarbe,<br />

als er die Lage erkannte. Die Panzer kamen jetzt aus beiden Richtungen auf uns<br />

zu. Rücken an Rücken mit Vo<strong>ro</strong>ncas Batterie feuerten wir voller Verzweiflung<br />

und Wut drauflos, aufgebracht gegen das Schicksal und entschlossen, unsere<br />

Haut teuer zu verkaufen. Ich zielte direkt durch das Kanonen<strong>ro</strong>hrloch, und t<strong>ro</strong>tz<br />

der Beweglichkeit der Zielscheiben traf ich meistens ins Volle. Die schweren<br />

Haubitzen in meinem Rücken waren aber noch effizienter, ihre P<strong>ro</strong>jektile<br />

erschütterten noch furchtbarer die Hirne der Panzersoldaten. Schließlich setzte<br />

ein friedlicher Nebel dem Kampf ein Ende und deckte in gleichem Maße ohne<br />

Unterschied alle Schlachtteilnehmer. Es war aber auch Zeit dazu gewesen, denn<br />

gerade meldete mir Ivan, dass wir das letzte Geschoss abgefeuert hatten.<br />

Der für einen Kanonier schmerzlichste Moment war da: die Trennung von<br />

seinen durch die fehlende Munition unnütz gewordenen Kanonen. Ich erfüllte<br />

dementsprechend das von Tradition und Reglement vorgeschriebene Ritual, die<br />

Entfernung der Ladeverschlüsse und die Zerstörung der Zielapparate. Wir<br />

vollbrachten diesen Opferakt mit tränenvollen Augen. Wir blickten auf diese<br />

Haubitzen, die wir bis dahin wie unseren Augapfel gehütet und mit unserer Seele<br />

beseelt hatten – nun mussten wir sie zurücklassen gleich altem Eisen. Ohne sie<br />

fühlten wir uns nackt und hilflos. Daraufhin schwangen alle Kanoniere sich auf<br />

die freigewordenen Kanonenzugpferde, ich verabschiedete mich von unserem<br />

zufälligen Kampfgenossen (Unterleutnant Vo<strong>ro</strong>nca) – der sich auch auf den<br />

Aufbruch vorbereitete – und schlug die einzige Richtung ein, die frei von<br />

feindlichen Panzerwagen zu sein schien, also bog ich links von der bisherigen<br />

Route ab.

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