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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 466<br />

Und ich weiß nicht, was mich stärker zerfleischt, / Ist es der Hunger des Ketzers<br />

am himmlischen Gotte / Oder der Stachel der ewig wachen Gewissensbisse,/<br />

Getaucht in Dellusion und Bedauern?<br />

Oh, Menschen, was tatet ihr mit dem Geschenk / Das ich für euch erkämpfte,<br />

und zu welchem Preis? / Welche Gnade, welchen Segen / Brachtet ihr damit<br />

eurem schweren Leben?<br />

Kaum dass ihr es in eure ungeduld’gen Hände nahmt, / Da hat euch schon der<br />

Bruderhass für immer geblendet, / Eure Häuser und Felder anzuzünden, / Eure<br />

Welt in einen Brandherd zu verwandeln.<br />

Da hörte er Dich, Heiliger: / „Strafe nimm auf dich für deine Tat! / Hätte Ich denn<br />

nicht der Welt als Vater/ Das Licht gegeben, wär’ sie reif dafür gewesen?“<br />

Seither ist der Welt Verwüstung g<strong>ro</strong>ß und größer / Und bestätigt grausam Deine<br />

Worte! „Es trägt keinerlei Segen / Das Licht, das diebisch erhalten wurde.“<br />

An mythischen Felsen gefesselt / Hält mich seit tausenden von Jahren die<br />

Beschuldigung, / Das ich des Himmels Mysterien raubte, / Um den Menschen<br />

Glück zu bringen.<br />

Und ein Gedanke brennt mich ärger / als der Schnabel des Adlers, der meine<br />

Milz zerhackt: / „Warum gabst du ihnen Feuer an die Hand, / Bevor du Licht in<br />

ihre Seele legtest?“<br />

*<br />

Der Herbst war milde. Die kräftigen Farben der Baumk<strong>ro</strong>nen erloschen in<br />

den grün-bläulichen Graustufen des Meeres, niemals dieselben. Die<br />

Rauchschwaden der Autodafés des Herbstlaubs vermischten sich mit den<br />

salzigen Nebeln des Meeres. Manchmal in der Abenddämmerung, wenn der<br />

Wind vom Meer her Regent<strong>ro</strong>pfen mitbrachte, stieg ich gerne alleine und dick<br />

gekleidet über die „Seufzerbrücke“ zum „Denkmal“, woher ich das Meer in seiner<br />

ganzen Weite sah. Nachdem ich meine Seele mit ihrem Rauschen beruhigte,<br />

stieg ich wieder herunter, wobei ich in Gedanken und im Gleichschritt Gedichte<br />

skandierte, die mir gerade einkamen und die ich größtenteils sofort auch wieder<br />

verwarf. Warum verfasste ich sie dann noch?<br />

Seit der Waffenstillstands-Kapitulation waren fünf Jahre verstrichen,<br />

viereinhalb seit Kriegsende, und es gab keine Anzeichen für eine Repatriierung,<br />

wenn auch der größte Teil unserer Offiziere aus Oranki vor mehr als einem Jahr<br />

heimgekehrt war.<br />

Die Beziehungen zur „Verwaltung“ waren in eine friedliche Phase eingetreten.<br />

Weder forderte man uns noch mit Arbeit heraus, noch mit P<strong>ro</strong>paganda. Man<br />

hatte sich damit abgefunden, dass wir aus politischer Sicht nicht zu „retten“<br />

waren und dass man mit uns keine Kauf-Verkaufsverträge für unser Gewissen<br />

abschließen konnte. Die Sowjets hatten es gar aufgegeben, uns mit P<strong>ro</strong>zessen<br />

für so genannte „Kriegsverbrechen“ zu erpressen. (Was aber nicht auch in

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