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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 53<br />

Ende der Brücke stand ein Typ in schwarzem Ledermantel, mit rechteckigen<br />

Kragenspiegeln am Hals und einer rauchenden MP in der Hand, der<br />

ununterb<strong>ro</strong>chen und mechanisch etwas sagte, was übersetzt soviel bedeutete,<br />

als dass es allen so ergehen würde, welche die Kolonne verlassen sollten. Ein<br />

Schauder des Grauens ging durch die Menge. „Diese bringen uns alle um; die<br />

warten bloß darauf, einen Schritt nach außen, und sie feuern“, murmelten alle.<br />

„Diese respektieren nicht einmal das Gesetz des Dschungels. Kein Tier<br />

greift ein anderes während der Tränke an“, überlegte Cre]u. So kam es, dass<br />

eine Kolonne von Tausenden von durstigen Menschen die Qualen des Tantalus<br />

nacherlebte, als sie diesen Bach überquerte, ohne auch nur einen Schluck<br />

Wasser daraus trinken zu dürfen.<br />

„Von welchem Gesetz des Dschungels sprichst du denn?“ griff ein T.R.-<br />

Schüler, Journalist von Beruf und Kriegsberichterstatter, Cre]us Feststellung auf.<br />

„Diese da haben überhaupt kein Gesetz, nicht einmal eines des Dschungels.<br />

Hört nur auf mich! Diese bringen uns alle um. Deswegen hat der NKVD-ist<br />

eingegriffen. Habt ihr’s denn nicht gesehen? Der mit dem Ledermantel und den<br />

Litzen am Kragen, der die Gefangenen an der Brücke erschossen hat, der gehört<br />

nicht zur Garde der Usbeken, der ist vom NKVD.“<br />

„Was ist das denn, der NKVD?“, fragte ich offenherzig.<br />

„Was, du weißt’s nicht?“, wunderte sich der Reporter. Und sofort begann<br />

er mir unglaublich schreckliche Sachen von dieser Geheimpolizei des Kremls zu<br />

erzählen, von den Verhaftungen, Untersuchungen, Folterungen in ihren Kellern,<br />

von ihren Exekutionen, von der Massenerschießung Tausender polnischer<br />

Gefangener, dass einem nur beim Zuhören die Haare zu Berge standen. Aber in<br />

dem Maße, in dem er erzählte, weiteten sich seine Augen wie bei einem vor<br />

Grauen Übergeschnappten – „Sie bringen uns um, sie bringen uns um. Bis ans<br />

Ende dieses pahod na Sibir, denn Sibirien ist unser Ziel, liquidieren sie uns alle“.<br />

„Aber beruhige dich denn, Mensch!“, versuchte ich ihn zu besänftigen,<br />

eigentlich mehr den uns Umgebenden zuliebe, die sichtlich in Panik gerieten, als<br />

sie von all den Gräueln hörten. „Beruhige dich! Die Exekutionen von vorhin<br />

waren sicherlich mit Absicht, um uns einen Schrecken einzujagen, aber dass sie<br />

uns alle liquidieren werden, dass ist übertrieben.“<br />

„Du kennst sie nicht, du kennst sie nicht. Niemand kennt sie“. Er blieb<br />

zurück und wiederholte besessen die gleichen Worte, zunehmend leiser und<br />

abwesender. Ich spürte, wie er sich von der Wirklichkeit loslöste und in eine<br />

Halluzination der Gräuel glitt. Ich wandte mich Ivan zu und bat ihn, jemanden<br />

aufzufordern, ihn zu stützen und unter Kont<strong>ro</strong>lle zu halten, damit er, in seinem<br />

Schockzustand, nicht irgendeine Wahnsinnstat vollbrachte. Daraufhin stieß ich<br />

auf zwei weitere Bekannte, desgleichen Reserveoffiziere, Leistungssportler, ich<br />

glaube Turner am Barren. Die jungen Gymnasten gingen im Gleichschritt, wie<br />

auf einem Stadion. Zugegeben, ich betrachtete sie nicht ohne einen gewissen<br />

Neid.<br />

„Ja, diese Jungs da, die werden allen Widrigkeiten zum T<strong>ro</strong>tz überleben;<br />

sie sind gut trainierte Sportler. Ich aber, mit meiner so mittelmäßigen physischen<br />

Kondition, werde ich den Weg wohl bis zu Ende gehen können?“ Zu dem sich in<br />

mich einschleichenden Zweifel kamen noch schwarze Gedanken hinzu, die<br />

Revolte und Empörung darüber, dass ich von denen, die über unser Schicksal zu

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