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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 308<br />

82. MAN BEREITET UNS EINEN TRANSPORT VOR, BLOß WOHIN?<br />

Dies war die Situation unter uns, als unmerklich und unerwartet die Liste<br />

derer vorgelesen wurde, die demnächst hinsichtlich eines Abtransports aus dem<br />

Lager isoliert werden sollten. Alle oben erwähnten hochrangigen Offiziere<br />

standen drauf. Desgleichen die Mehrheit der Teilnehmer am Hungerstreik, dazu<br />

eine beeindruckende Zahl aus den Reihen der Moderaten und schließlich, wie<br />

das bei der Zusammenstellung solcher Listen üblich war, tauchten darauf auch<br />

Figuren auf, die weder warm, noch kalt waren und keine andere Aufgabe zu<br />

erfüllen schienen, als die Frage aufzugeben, ja, was ist denn mit denen auf der<br />

Liste? Es fehlten auch nicht die Augen und Ohren der Macht, die uns durch alle<br />

schwarzen Löcher unserer Strafreise zu begleiten hatten, um ihrer infamen<br />

Aufgabe nachkommen zu können.<br />

Was mich betrifft, konnte ich denn fehlen von dieser Liste? Nein, natürlich<br />

nicht. Hatte ich mir denn nicht die Fahrkarte bei meinen hochrangigen<br />

Gesprächen mit Kolbassow redlich verdient? Isoliert wurden wir in einer etwas<br />

peripher gelegenen Baracke, im so genannten Koniparc, wo man uns auch<br />

Wachen vor den Eingang aufstellte, um auch ja jeden Kontakt mit dem Rest des<br />

Lagers zu unterbinden.<br />

Gleichzeitig wurde in einer nahe gelegenen Baracke ein anderer<br />

Rumänentransport organisiert – von Heimkehrern, ausschließlich Kranke. Als ich<br />

erfuhr, dass sich darunter auch ein ehemaliger Lyzeumskollege und guter<br />

Freund von mir befand, habe ich es letztlich irgendwie angestellt und mich eines<br />

Abends bis zu ihm geschlichen. Unter ihnen gab es „Ch<strong>ro</strong>nische” aller<br />

Kategorien – mein Kollege litt an einer Lungenkrankheit – und was die politische<br />

Zusammensetzung betrifft, gab es sowohl Freiwillige, als auch unsrige...<br />

Als ich ihn fand, fühlte ich nicht bloß g<strong>ro</strong>ße Freude, sondern auch<br />

Erleichterung. Was war passiert? Er war nach dem 23. August in Gefangenschaft<br />

gefallen, und zusammen mit allen anderen dieser Gruppe hatte er sich bei den<br />

Freiwilligen gemeldet, überzeugt davon (wie alle anderen auch), dass es keine<br />

andere Möglichkeit der Repatriierung gab. Als sie aus der Quarantäne entlassen<br />

wurden, und er auf mich und andere wie ich stieß, merkte er, dass sie überlistet<br />

worden waren und dass es „auch anders ging”, zögerte jedoch, den Schritt nach<br />

rückwärts zu tun – aus Angst vor den Repressalien des Kommissariats. Freilich<br />

bestrafte dieses gerade wie es sich ergab die „politische Apostasie”<br />

(üblicherweise mit der Zuweisung zu schwereren Arbeiten außerhalb des Lagers,<br />

wo man völlig den Bewachungssoldaten ausgeliefert war). Als ich sah, wie er<br />

zögerte und zögerte, sagte ich ihm eines guten Tages, nach einem wenig<br />

klärenden Gespräch, Folgendes: „Mein Lieber, wir kennen uns seit drei<br />

Generationen, unsere G<strong>ro</strong>ßväter, unsere Eltern und wir. Also können wir einer<br />

dem anderen gegenüber ganz offen sprechen. Du musst wissen, dass jetzt der<br />

Moment gekommen ist, eine Prüfung für dich und deine gesamte Familie<br />

abzulegen, nämlich um zu zeigen, ob du und die deinen – die<br />

Dahingeschiedenen und die Gegenwärtigen – tatsächlich ein Bojarengeschlecht

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