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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 188<br />

der Karzertür herumwerkelte. Er ließ ihn eintreten, dann stürzte er ihm nach.<br />

Cosma spürte dies und versteckte sich hinter der Tür. Der Tschassowoj, verwirrt<br />

darüber, dass er ihn nicht sah, öffnete die nächste Tür und stürzte auf den<br />

Korridor zwischen den Zellen. Darauf hatte Cosma gewartet. Während der Russe<br />

ihn durch die Gucklöcher in den Zellen suchte, drehte Cosma leise den Schlüssel<br />

der Korridortür um und machte sich aus dem Staub, aber nicht bevor er auch die<br />

Außentür mit dem Sperrhaken verschlossen hatte. Der arme Russe schrie,<br />

brüllte, fluchte; aber wer hätte ihn bei dem fürchterlichen F<strong>ro</strong>st auch hören sollen,<br />

wo doch nicht einmal die Wachtposten es wagten, noch ihre Runden zu<br />

machen? Und so musste denn der Wärter die ganze Nacht über das süße<br />

Karzerleben mit seinen Pensionsgästen teilen. Am Morgen schließlich, als er<br />

gehört wurde, wer wurde denn gerufen, um ihn zu befreien? Der Schlosser,<br />

natürlich. Und so kam also Cosma mit einem Schlüsselbund in der Hand, um<br />

seinen Freund aus dem Knast zu holen. Tja, der Russe war keine Leuchte, aber<br />

auch nicht so blöd, um nicht zu wissen, dass er zum Gelächter des gesamten<br />

Lagers wurde, wenn er meldete, dass ein Gefangener ihn in den Karzer<br />

eingeschlossen hatte. Also begnügte er sich damit, im Vorbeigehen Cosma<br />

einen Fluch zuzuzischen und ein „Warte nur, dich krieg ich noch!“<br />

Cosma war ein ruhiger, besonnener Mensch, der seine Aktionen lange<br />

und nüchtern abwog. Hinter diesen Phlegma-Schichten verbarg sich jedoch eine<br />

g<strong>ro</strong>ße Reserve an Impulsivität, die manchmal – zugegeben, selten – außer<br />

Kont<strong>ro</strong>lle geriet und zu unvorhergesehenen Taten führte, die ihm g<strong>ro</strong>ße<br />

Unannehmlichkeiten bringen konnten, wie es auch in der Geschichte mit Birman<br />

der Fall war. Dieser war einer der Kommissare, die Codler ersetzt haben,<br />

nachdem letzterer mit der T.-V.-Division abgezogen war. Birman, ein Flüchtling<br />

aus Bessarabien, war klein, dürr, hässlich, <strong>ro</strong>thaarig und mit lupendicken Brillen<br />

auf der Nase und reagierte seinen Minderwertigkeitskomplex, den ihm seine so<br />

unglückliche Physis bescherte, durch Überlegenheitsgesten (er ging stets<br />

erhobenen Hauptes und mit herausgestreckter Brust herum) ab und durch ein<br />

ar<strong>ro</strong>gantes und sichtlich feindseliges bis aggressives Auftreten uns Offizieren<br />

gegenüber, anders als Codler, der eine konstant kont<strong>ro</strong>llierte und korrekte<br />

Haltung bewahrte. Es heißt, er sei der Sohn eines Arztes gewesen.<br />

Als Cosma auf dem Kommissariat einmal von Birman verhört wurde,<br />

geriet letzterer so in Rage, dass er stracks vom Tisch aufsprang und – so<br />

kleinwüchsig, wie er war – Alecu zu ohrfeigen begann. Dieser nahm dies eine<br />

Weile geduldig hin, aber als dann das Fass voll war, erhob er sich von seinem<br />

Stuhl und klebte der Missgeburt eine so kräftige Ohrfeige, dass Birman zu Boden<br />

ging. Und nachdem er sich wieder aufrappelte, nahm er Reißaus Richtung<br />

Gardekorps und brüllte aus Leibeskräften: „Hiiilfe, die Nazis bringen mich um!“<br />

Cosma rannte seinerseits aus dem Kommissariat in die „Schmiede“, woher ihn<br />

ein paar Minuten später – er hatte sich inzwischen beruhigt – die Gardesoldaten<br />

abholen sollten. Es folgten Untersuchung, Verhöre, das ganze Drumherum.<br />

Einmal, als er im Lager unter Bewachung zur „Schmiede“ gebracht wurde,<br />

begegneten sich unsere Blicke, und er rief mir zu: „Sie wollen mich vor Gericht<br />

bringen. Sie verurteilen mich unschuldig.“ Ich verbreitete seinen Hilferuf im<br />

ganzen Lager, aber was konnten wir denn in jenem Moment (August 1945) für

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