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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 187
3. Die im Mai 1944 im Krimdesaster (Sewastopol) in Gefangenschaft
Gefallenen wiesen die gleiche Geistesverfassung auf wie wir (ohne die Illusion
des Sieges, aber mit der Hoffnung auf einen menschlichen Frieden). Dazu hatten
diese, da sie im Sommer (und nicht im Winter, wie wir) in Gefangenschaft
gerieten und einem Elitekorps angehörten, eine bessere Moral als wir.
4. Die nach dem 23. August 1944, nach dem Waffenstillstand in
Gefangenschaft Gefallenen, die eigentlich hinterhältig von einer Armee ohne
Ehrgefühl und ohne Respekt für das gegebene Wort, also von der Roten Armee,
gefangen genommen wurden. (Genau so machten sie es auch mit den Japanern,
welche nicht eine Kugel gegen sie abgefeuert hatten.) Diese waren 1945 mit
ihrer Moral am Boden. Die Armen, sie hatten das Desaster der Deutschen auch
bei unserer Waffenumkehr gesehen und dazu auch, was die neuen Verbündeten
wert waren, an die wir nun gebunden waren. Sie hatten keine Illusionen und
keine Hoffnung mehr.
Dies war im Großen und Ganzen der Fächer der Geistesverfassungen
und der Mentalitäten der rumänischen Gefangenen. Und trotzdem sollte aus
diesem verworrenen Knäuel letztlich der lebenskräftige Faden des Widerstands
all jener gesponnen werden, die wir bis zum Schluss den Werten und Gesetzen
unserer Polis treu blieben… Das Fadenende aber nahmen wir aus der Hand
dieser naiven Träumer, der Altgefangenen, die an den Endsieg glaubten.
Eine der prägnantesten Gestalten unter ihnen war Alecu Cosma, ein Pilot,
der ein paar hundert Meter von unseren Linien entfernt abgeschossen worden
war und der nun im Lager als Schmied und Schlosser arbeitete. Mit breitem
Rücken, kräftig und hinkend (seit der forcierten Landung), hatte er fast
durchgehend einen Schmiedehammer in der Hand und war die Verkörperung an
sich des Hephaistos, des Gottes der Schmiede. Mit außergewöhnlicher
Geschicklichkeit fertigte er für alle Türen und Schlösser im Lager die nötigen
Schlüssel an, stets aber auch je ein Exemplar für sich. So dass Alecu Cosma, als
einer, der die Alraunwurzel besaß, Zugang zu allen Räumen des Lagers hatte,
vor allem zum Sklad (dem Lebensmitteldepot), woher er nach Herzenslust alles
nahm, was er wünschte, dann zum Karzer, wo er die dort Eingekerkerten mit
dem, was er aus dem Sklad entwendet hatte, versorgte, damit diese den Hunger
und die diesem Schreckensraum spezifische Kälte aushalten konnten. Er war
eine Art Haiducke 89 oder Gentilhomme cambrioleur.
Selbstverständlich waren alle diese Aktionen mit Risiken verbunden. Aber
er war weit entfernt davon, sich dadurch abschrecken zu lassen, diese wirkten
eher anregend auf ihn. Nur bei riskanten Taten fühlte er sich richtig wohl. Vivere
periculosamente (gefahrvoll leben) war sein Leitspruch. Deswegen war er auch
Flieger geworden.
Einer seiner denkwürdigen Streiche war jener mit dem Natschalnik des Karzers,
ein verschlagener Russe, der auf unseren Mann, der um seine ehrenwerte
Institution herumschlich, ein scharfes Auge geworfen hatte und nicht recht
wusste, wie er seiner habhaft werden konnte. An einem frostigen Winterabend
sah er vom Fenster eines Nachbarraumes, wo er sich aufwärmte, wie Cosma an
89 Eine Art Freischärler, die unter anderem, in der Art Robin Hoods, die Reichen ausraubten und mit dem
Raubgut den Armen halfen.