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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 294<br />

nicht ein neuer Vorfall in die Wirklichkeit zurückgeholt. Pascu, ein junger<br />

Unterleutnant, der infolge der Odessakampagne eine Platinplatte an einer<br />

Kopfwunde hatte (was ihn nicht daran gehindert hatte, sich zurück an die F<strong>ro</strong>nt,<br />

an den Don, zu verlangen), wälzte sich nun mit fürchterlichen Kopfschmerzen im<br />

Bett. Natürlich alarmierten wir erneut den Tschassowoj vor der Tür, aber bis die<br />

Sanitäter kamen, brachen unter uns Diskussionen aus. Ein Teil der Jungs, vor<br />

allem von denen aus M=n\st=rka, waren der Meinung, der sechstägige<br />

Hungerstreik habe sein Zielt erreicht, nämlich jenes, einen P<strong>ro</strong>test zu<br />

signalisieren, und folglich sei es angebracht, damit aufzuhören, um dem so<br />

schweren wie nutzlosen Leiden ein Ende zu setzen. Der Vorschlag wurde von<br />

anderen entschieden zurückgewiesen, diese forderten uns auf, nicht<br />

aufzugeben, bis man nicht das Schloss von unserer Tür entfernte. Da aber die<br />

Forderungen nach Aufgabe des Streikes noch um einige Stimmen reicher und<br />

dazu vehementer wurden, fühlte ich mich gezwungen, mich auch zu Wort zu<br />

melden und sie an Ciutea zu erinnern, der mitten im Winter in einer Karzerzelle<br />

mit eingeschlagenen Fenstern bei minus 10 Grad Celsius und nackt den<br />

Hungerstreik 10 Tage lang durchgehalten hatte, bis er alles erhielt, was er<br />

gefordert hatte. Auf den Hinweis, dass Ciutea alleine war und mit seinem Leben<br />

tun und lassen konnte, was er wollte, während wir unter uns Leidende hatten, die<br />

wir nicht weiteren Qualen oder dem Tod überlassen könnten, schlug ich vor,<br />

dass all jene den Streik aufgeben sollten, die nicht mehr mithalten konnten,<br />

während wir anderen ihn weiterführen sollten, bis man uns aus der Isolierung<br />

befreite.<br />

„Nein!“, griff Oberst Stelian Dimitriu ein. „Nur dies nicht. Wir dürfen uns<br />

nicht wieder in zwei teilen! Wir müssen zusammenhalten! Und wenn dies nicht<br />

mehr im Sieg möglich ist, dann, bitte schön, in der Niederlage. Es gibt für uns<br />

etwas noch Schlimmeres als die Niederlage. Es ist die Entzweiung. Wenn wir<br />

den Streik nicht zusammen bis zu Ende führen können, dann geben wir ihn<br />

zusammen auf.“<br />

„Und mit denen im Karzer, was geschieht mit denen? Was tun wir für sie?<br />

Lassen wir sie im Stich?“<br />

„Sie sind dort eine homogene und entschlossene Gruppe, die sich in einer<br />

Sondersituation befindet, die schwerer ist als unsere. Sie werden hören, was wir<br />

hier für eine Maßnahme get<strong>ro</strong>ffen haben und selber entscheiden, was sie dort<br />

tun können. Und ich wünsche noch etwas“, fuhr der alte und weise Oberst fort.<br />

„Übernehmen wir die Verantwortung für dieses Scheitern alle zusammen und in<br />

gleichem Maße! Wir dürfen nicht diesem, weil er hilfloser ist, oder jenem, weil<br />

etwa seine Gesundheit eine prekärere ist, die Schuld zuschieben für unser aller<br />

Misslingen. Wir haben verloren. Na und? Das hat kein Loch in den Himmel<br />

gerissen, und es ist noch nicht aller Tage Abend. Ein andermal werden wir es<br />

schaffen. Ihr werdet’s sehen.“ Die weisen T<strong>ro</strong>stworte des „Alten“ löschten aber<br />

die Bitterkeit der Niederlage nicht aus unseren Herzen, als wir unter den<br />

triumphierenden Blicken des Dienst habenden Offiziers und der Gardesoldaten<br />

zum Zeichen unserer Streikaufgabe und Kapitulation die Löffel mit Kascha zum<br />

Mund führten.

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