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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 326<br />

für uns einen unaufhörlichen physischen wie moralischen Verfall bedeuteten;<br />

zum anderen, weil in der Wildnis außerhalb des Lagers, wo parallel zur<br />

Lage<strong>ro</strong>rdnung dazu die schurkischen Instruktionen von hoch oben funktionierten,<br />

so dass unsere Teilnahme an der Arbeit für jeden von uns das Risiko in sich<br />

barg, der Aufsicht der Eskorte zu „entkommen“ und mit einer nach allen legalen<br />

Vorschriften ausgestellten Sterbeurkunde ersetzt zu werden. Diese Möglichkeit<br />

hatte uns bereits in Oranki ein Vöglein zugeflüstert (ans Ohr eines unserer<br />

Jungs). 143<br />

Diese erstaunliche Warnung führte uns dazu, unser Recht als Offiziere,<br />

die Zwangsarbeit zu verweigern, mit umso größerer Hartnäckigkeit zu<br />

verteidigen, wurde uns doch dieses Recht von der Haager Konvention<br />

zugesichert, die ja auch von den Sowjets unterzeichnet worden war. Dieses<br />

Recht stand uns also zu. Hatten wir aber auch die Macht, es einzufordern? Denn<br />

wenn Macht ohne Recht ein Verbrechen ist, so ist das Recht ohne Macht eine<br />

Abstraktion. Verfolgt man aber im Laufe der Geschichte die dialektische<br />

Entwicklung des Binoms Recht und Macht, können wir nicht selten feststellen,<br />

dass einerseits eine gerechte Sache, der es an jeglicher Macht fehlt, anfängt,<br />

Zustimmung zu finden und so nach und nach an Macht gewinnt, andererseits<br />

eine Macht, welche ungerecht handelt und das Recht g<strong>ro</strong>b missachtet, mit der<br />

Zeit widerwärtig wird und anfängt, von ihren Anhängern verlassen zu werden, bis<br />

es zu dem Punkt kommt, an dem sie keine Macht mehr darstellt. Worin aber<br />

bestand denn unsere Macht? In erster Linie im Recht, das unserem Handeln<br />

Legitimität verlieh, in zweiter Linie in unserer Solidarität, in unserer Bereitschaft,<br />

kohärent und diszipliniert zu handeln, t<strong>ro</strong>tz Leid und Risiko. Wir kannten einander<br />

gut. Wir hatten zusammen die schwersten Erfahrungen durchgestanden und<br />

hatten Vertrauen und Sympathie füreinander. Wir waren nicht viele, etwa 30-32<br />

Personen, zu denen noch etwa 8 hochrangige Offiziere hinzukamen, welche<br />

sicht stets mit uns solidarisierten. Aber wir waren geeint und entschlossen. So<br />

dass zum Zeitpunkt der Konf<strong>ro</strong>ntation mit Kocharkin und Ziganow, als sie uns<br />

vorschlugen, eine Waldbrigade zu bilden, wobei sie uns eine spürbare Erhöhung<br />

der Essensrationen und sogar eine Verkürzung der Gefangenschaft versprachen<br />

(in Versprechungen waren sie unübertrefflich), kam unsere Antwort klar und<br />

kategorisch: Njet. Und zwar nicht nur, was die externe Arbeit, sondern was<br />

jegliche Arbeit betrifft, genau so, wie es die Haager Konvention vorsah, die von<br />

ihnen mit unterzeichnet worden war und von uns energisch ins Feld geführt<br />

wurde. Als wir das fatale Wort Haag aussprachen, da war es, als hätten wir<br />

Weihwasser über die Teufel gegossen. Urplötzlich verzog sich ihr heuchlerisches<br />

Lächeln zur d<strong>ro</strong>henden Grimasse. „Gaga!“ (wie Haag auf Russisch<br />

ausgesp<strong>ro</strong>chen wird). „Ihr werdet euer Gaga kriegen! Gaga sind wir, die Sieger!<br />

Wir legen fest, was für Rechte ihr habt, und nicht Gaga!“ Und damit verließen sie<br />

tollwütig den Raum. Die Folge war, dass ein paar Stunden später der Offizier<br />

vom Dienst mit einer Liste kam, auf der jene standen, die in die Erdhütte genannt<br />

Isolator umziehen mussten. Auf ihr standen in erster Linie unsere Namen, der 40<br />

P<strong>ro</strong>testler und Streikenden aus Oranki, zu denen auch die restlichen<br />

143 Spät erfuhren wir, dass es sich bei dem Vöglein um die Gorbatschowa handelte, und das Ohr, dem dies<br />

zugeflüstert worden war, gehörte Victor Clonaru.

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