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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 160<br />

42. DIE ARBEIT IN DER GEFANGENSCHAFT<br />

Hier in Oranki fanden wir in Sachen Arbeit eine neue Situation vor. Hatten<br />

wir Offiziere bis zu unserer Verlegung zum Skit nur kleinere Arbeitsdienste<br />

innerhalb des Lagers zu leisten, die nicht besonders anstrengend waren, so<br />

sahen wir nun alle niedrigen Offiziere, vom Unterleutnant bis zum Hauptmann, in<br />

Schwerarbeitsbrigaden für den Einsatz außerhalb des Lagers eingegliedert. Eine<br />

dieser Arbeiten bestand im Baumfällen. Die Baumstämme mussten dann auf<br />

eine gewisse Länge zugeschnitten und bis zu einem bestimmten<br />

Kubikmetervolumen gestapelt werden, wobei dieses bestimmte Volumen die<br />

Tagesnorm für zwei Menschen darstellte. Es erübrigt sich zu sagen, dass sehr<br />

wenige diese Norm schafften. Andere Arbeiten bestanden im Zuschneiden der<br />

Baumstämme zu Brettern und Bohlen, in landwirtschaftlichen Betätigungen wie<br />

Graben, Jäten, Heumahd oder im Ernten von Kartoffeln. Kurz, es ging um allerlei<br />

schwere Arbeiten, die weit entfernt vom Lager ausgeführt wurden, was natürlich<br />

ermüdende Märsche hin und zurück voraussetzte, und dies unter den Flüchen<br />

und mitunter unter den Schlägen der Gardesoldaten, die auf diese Weise all<br />

ihren Klassenhass abreagierten, den sie schon als Säuglinge aus der Brust der<br />

Partei gesaugt hatten.<br />

Oft kamen Kolchosenatschalniks ins Lager wie auf einen Sklavenmarkt,<br />

um Arbeitskräfte anzufordern. Selbstverständlich wählten sie aus der g<strong>ro</strong>ßen<br />

Masse die jüngsten und kräftigsten Männer. Da die Kolchosen zu weit weg<br />

lagen, um täglich hinzugehen, wurden die rekrutierten Arbeitskräfte zusammen<br />

mit den zuständigen Gardesoldaten dort einquartiert, und wir erfuhren von<br />

einigen der Bet<strong>ro</strong>ffenen, dass man dort besser lebte als im Lager. Diese Arbeiten<br />

wurden, je nachdem, wie schwer sie waren, mit Zusatzrationen belohnt. Diese<br />

bestanden in einem Stück B<strong>ro</strong>t zwischen 100 und 400 Gramm und einer<br />

Zusatzportion Essen, das natürlich auch aus dem Gemeinschaftskessel<br />

abgezwackt wurde. Allerdings, nota bene, diese Zusatzportionen bekamen nur<br />

jene, die ihre Arbeitsnorm schafften. Die anderen schufteten sich die Seele aus<br />

dem Leib mit einer Nahrung, die kaum ausreichte, um ohne jegliche Anstrengung<br />

zu überleben. Jene, die in dieser Situation waren, sanken schließlich auf solch<br />

ein tiefes Niveau physischer Degradierung runter, dass eine Erholung praktisch<br />

unmöglich war.<br />

Ihnen verblieb bloß noch eine Chance: dass bei der ärztlichen<br />

Untersuchung die Faust des sowjetischen Arztes locker zwischen ihre<br />

Hinterbacken passte, um auf diese Weise den Status eines Dyst<strong>ro</strong>phikers zu<br />

erzielen, was die Einweisung zwecks Erholung ins Krankenhaus und<br />

anschließend die Zuweisung zu leichterer Arbeit, innerhalb des Lagers, mit sich<br />

brachte. Wie es denn der Verwaltung gelungen war, uns dieses Joch um den<br />

Hals zu legen, ist nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, was für einen Grad<br />

physiologischen Elends der andauernde Hunger, die Epidemie und all die<br />

sonstigen Plagen für uns bewirkt hatten. Gleich mit der Gefangennahme hatte es<br />

begonnen, und der resultierende physische Verfall zerrüttet auf Dauer (im

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