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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 273<br />

71. DER FALL CIUTEA<br />

Zum Glück bürdet Gott dem Menschen nicht mehr auf, als er tragen kann,<br />

und dann, wenn dieser an seine Grenzen stößt, tritt etwas ein, was ihm<br />

weiterhilft. So erging es auch mir und ich wurde das Elfenbein los. Erst blieb ein<br />

Teil der Dienste infolge der massiven Repatriierung der Österreicher ohne<br />

Personal. Kurz vorher hatte die ärztliche Routinevisite stattgefunden, und als die<br />

wunderbare Wassiljewna (als Ärztin und Mensch), die Tatarin, sah, in welchem<br />

Zustand ich war, teilte sie mich den Dyst<strong>ro</strong>phikern zu, mit der Auflage:<br />

Leichtarbeit. Und da es auch reichlich freie Stellen gab, steckte der deutsche<br />

Starsch des Lagers mich, zwei Ungarn und zwei Deutsche in eine Arbeitsgruppe,<br />

die für die Küche Holz hacken musste, was verglichen mit dem Elfenbein ein<br />

Paradies war. Das einzige, was mich betrübte, war, dass ich Victor und Nae<br />

Cojocaru im Geschirr zurückließ. Aber bald sollten auch sie anderen Arbeiten<br />

zugeteilt werden, die zwar weiterhin draußen zu erledigen, aber weniger<br />

schrecklich waren.<br />

Die neue Arbeit erlaubte mir einiges, etwa zu lesen (meine deutschen<br />

Kollegen versorgten mich mit so manchem guten deutschen Buch: so stieß ich<br />

auf Rilke) und sogar auch zu schreiben, dazu aber konnte ich auch wieder<br />

Schlafsaal 2 (unter dem Klubraum) besuchen, wo ich Freunde und<br />

Regimentskameraden hatte, wie etwa Clement Borcea. Und so lernte ich auch<br />

Ionic\ Ciutea kennen, ein Lehrer aus der Vranceaer 131 Gegend und Freund Ionic\<br />

H=ngule[teanus (mit dem ich Kollege in der Normalschule gewesen war), der<br />

nach dem 23. August gefangen genommen worden war. Ciutea konnte die<br />

Arbeitssklaverei nicht akzeptieren, vor allem da er doch wusste, welches die<br />

Rechte der gefangenen Offiziere in dieser Beziehung waren, so wie dies in der<br />

Haager Konvention stand, die ja auch von den Sowjets unterzeichnet worden<br />

war. Und im Namen dieser Rechte verweigerte er, solange er in M=n\st=rka war,<br />

systematisch das Lager zu verlassen, um arbeiten zu gehen.<br />

Anfangs begnügte sich die Verwaltung damit, ihn in den Karzer zu<br />

stecken. Dort trat er dann in den Hungerstreik. Nachdem er seine Strafe<br />

abgesessen hatte, vergaß ihn die Verwaltung für eine Weile und teilte ihn keiner<br />

Arbeitsbrigade zu, danach erinnerte sie sich seiner und holte ihn zur Arbeit, und<br />

da er diese wieder verweigerte, steckte man ihn erneut in den Karzer, wo er<br />

dann wieder in den Hungerstreik trat, und so weiter.<br />

Nach wer weiß wie vielen Arbeitsverweigerungen und Hungerstreiks<br />

wurde er nach Oranki geschickt, wo man ihn wie gewöhnlich eine Weile in Ruhe<br />

ließ. Nun war gerade seine Verschnaufpause verstrichen, die diesmal etwas<br />

länger als sonst gedauert hatte, was ihm gar den Eindruck verschaffte, die<br />

Verwaltung habe dies Spiel satt und würde – stillschweigend – ein Auge<br />

zudrücken. Aber siehe da, er war erneut einer Arbeit zugeteilt worden. Erbittert<br />

über dieses Katz-und-Maus-Spiel, entschloss er sich diesem durch einen<br />

131 Kreis in der Südmoldau am Fuß des Karpatenbogens.

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