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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 321
verfrachtet, während wir, die anderen, in einer Kolonne aufgestellt wurden und
vom Konvoichef die übliche Litanei zu hören bekamen, die aber diesmal auch ein
neues Element aufwies. Jeder Schritt vom Weg weg (der mit Baumstämmen
ausgelegt war) werde nicht mit der Erschießung (die klassische Strafe), sondern
mit dem Ertrinken im Sumpf bestraft. So erfuhren wir denn bangen Herzens,
dass wir in ein Gebiet weiter, sumpfiger Wälder gebracht wurden, die bereit
standen, jeden zu schlucken, der einen falschen Schritt tat. Wir brachen auf,
besorgt darauf achtend, ja nicht vom Weg abzukommen, in den perfiden, mit
Moos und Flechten bedeckten Sumpf. Unterwegs trafen wir eine zahlenmäßig
große Gruppe von Einheimischen, deretwegen wir ganz eng zusammenrückten,
damit sie vorbei konnten. Es waren hauptsächlich Alte, Männer und Frauen,
Angehörige der Mari. Wir befanden uns auf dem Territorium des Staates
Maritzkaja Republik mit der Hauptstadt Ioschkar-Ola. Dieses Volk gehört zur
Familie der ugro-finnischen Völker, ist also verwandt mit den Ungarn und den
Finnen. Sie trugen ihre traditionelle Kleidung, die Frauen dicke Wollkleider mit
breiten Längsbändern von kräftigen Farben (weiß, schwarz, rot, grün). Die
pergamentenen und runzligen Gesichter mit hohen Wangenknochen sowie die
Schrägaugen wiesen sie als mongolischen Typus aus. Sogar der Schäferhund,
der zu ihnen gehörte, hatte – wir mussten schmunzeln – Schrägaugen wie auch
seine Herren. Sie schritten schweigend und scheu aneinandergedrängt einher,
gerade so, als fühlten sie sich anachronistisch in der arroganten sowjetischen
Welt, die sich auch über sie ausgebreitet hatte und sie gewaltsam aus ihrem
angestammten Flussbett zwang. Sie glichen Exponaten aus einem
ethnographischen Museum oder Subjekte eines nationalen Reservats wie es sie
für die amerikanischen Indianer gibt.
In dem Maße, in dem wir ins Herz der Taiga mit ihren Sumpffallen
vordrangen, waren die Bäume zunehmend verbogener, hatten gebrochene
Stämme, verdrehte Äste und Zweige, gleich den knorrig-gespreizten Fingern
einer Hexe. Seltsam sahen auch die Waldwesen aus, derer wir staunend
ansichtig wurden. Sollten die wilden Winde der Landschaft diese dämonisch
verzerrten Züge verliehen haben? Oder krümmte wer weiß welche unterirdische
böse Kraft die Bäume und verwandelte diese in einen Hexensabbat. Auf jeden
Fall, alle hatten wir, ob nun deutlicher oder eher undefiniert, das beunruhigende
Gefühl, dass wir in eine satanische Daseinswelt eindrangen. Wir schritten wie
verhext durch die Welt des Bäume krümmenden Beelzebubs und fragten uns,
was uns denn im Epizentrum dieses teratologischen Raumes erwartete, in der
Höhle der Teufel mit rotem Stern? Nach einem ermüdenden Marsch von etwa
sechs, sieben Stunden, währenddessen uns nicht die Aggressivität der
Bewacher traumatisierte, sondern der Schrecken vor den Fallen des Sumpfes,
fanden wir uns letztendlich und unerwartet am Tor eines Lagers wieder.
Das Lager, versteckt im Herzen der merkwürdigen Taiga und geschützt
von der Perfidie des Sumpfes, sah für uns wie ein mongolisches Kriegslager aus,
das von Palisaden aus Holzstangen umgeben wurde, zu denen die verbotene
Zone mit ihrem Stacheldrahtzaun und dem aufgegrabenen und sorgfältig glatt
gerechneten Erdstreifen hinzukam, mit Wachtürmen an den Ecken, und
mittendrin gab es lange Reihen von riesigen Maulwurfshügeln – Erdhütten für die