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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 295<br />

Nachdem wir dies getan hatten, zogen sich die Gardesoldaten zurück,<br />

ohne aber zu vergessen, den Schlüssel im Schloss draußen umzudrehen, das<br />

uns weiterhin eingeschlossen hielt.<br />

Am Tag darauf reichte Ispas bei der Zählung dem Offizier vom Dienst ein<br />

beschriebenes Kärtchen. „Was ist das?“, fragte dieser missmutig. „Es ist die<br />

Erklärung, dass ich so lange in den Hungerstreik trete, bis ich aus dem<br />

Isolierraum raus gelassen werde oder bis ich sterbe.“ Ein paar Stunden später<br />

kam ein Tschassowoj und holte ihn samt Gepäck raus, und einige Stunden<br />

danach sahen wir ihn durch die Bretterspalten am Fenster, wie er draußen<br />

munter herumspazierte. Die Verwaltung, all der P<strong>ro</strong>bleme satt, hatte vor dem<br />

unbeugsamen Willen eines einzigen Menschen, der bereit war, bis zum<br />

Äußersten zu gehen, nachgegeben. Ispas war der Typ des Langstreckenläufers,<br />

des einsamen Kämpfers, der aber alle anderen mitzieht, oder des Oinaspielers,<br />

der aus dem Karree tretend den Ballwürfen des Gegners die Stirn bietet, und<br />

wenn er den Ball fängt, macht er seinen Teamkollegen ein Zeichen, ins nächste<br />

Karree zu rennen. Nichts kennzeichnet besser die Beziehung zwischen<br />

Persönlichkeit und Gruppe al unser Nationalspiel „Oina“ 136 .<br />

Am vierten Tag nach der Kapitulation trug sich etwas zu, was unsere<br />

Gewissensruhe aufwühlte. Wir hatten keine Nachricht von denen, die im Karzer<br />

waren, dachten aber, sie hätten wohl mitbekommen, was sich bei uns getan<br />

hatte und würden die gleiche Stellung bezogen haben. Aber siehe da, einer<br />

unserer Jungs, der durch die Bretter vor dem Eingangsfenster die Allee<br />

überwachte, auf der sich auch der Karzer befand, alarmierte uns:<br />

„Etwas Besonderes geht im Karzer vor!“ Und er begann, wie ein Reporter<br />

alles zu berichten, was er sah. „Durch die Eingangstür zum Karzer treten eine<br />

Menge Sanitäter mit Tragbahren, Krankenschwestern, Ärzte, Tschassowojs.“<br />

Beunruhigt trat auch ich ans Fenster und fand eine Spalte, durch die ich<br />

hinausblicken konnte. Momentan aber passierte nichts mehr. Eine halbe Stunde<br />

fieberhaften Wartens… Dann tauchte mit gesenktem Kopf der Arzt auf, ihm<br />

folgten zwei Sanitäter mit einer Tragbahre, auf der Petric\ Ilie lag. Diese<br />

Nachricht war eine Sensation. Die Männer erhoben sich von ihren Betten und<br />

kamen an die Fenster. Die Reportage ging weiter… auf der vierten liegt Nae<br />

Cojocaru… es kommt keiner mehr heraus, weil keine Tragbahren mehr da sind,<br />

dann kehren die Sanitäter im Laufschritt zurück, und wieder defilieren die<br />

Tragbahren vorbei… Mihai R\ducanu… Vasile Ro[ca, Ghi]\ Militaru... Pfarrer<br />

Bejan... Pfarrer Beschia... Gabi Constantinescu... Soso C\tuneanu... Mircea<br />

Popescu... dann andere, gehend, einander gegenseitig abstützend.<br />

„Leute, dies sind die Gebirgsgrenzwächter Stefans des G<strong>ro</strong>ßen, welche<br />

aus der Neam]er Burg nur auf Tragbahren herauskamen… Zum ihrem Ruhme!“,<br />

sagte ein Hauptmann. Und seither wurden die aus dem Karzer, die 10 Tage<br />

ausgehalten hatten, bis sie ihre Freilassung erzwangen, die<br />

Gebirgsgrenzwächter aus der Neam]er Burg genannt. So wurde unsere<br />

Niederlage, der vielen aus dem Isolierungsraum, vom Sieg der Wenigen, aber<br />

Erwählten aus dem Karzer, von den Gebirgsgrenzwächtern kompensiert.<br />

136 Oina ist dem Baseball verwandt, wird heute aber kaum noch gespielt.

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