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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 340<br />

„Beruhigen Sie sich, Herr Hauptmann! Stellen Sie sich doch nicht so bloß!<br />

Sehen Sie nur, wie uns der Deutsche anschaut… Er kann nicht Rumänisch und<br />

wird berichten, Sie wiegeln die Leute für den Streik auf… und man wird Sie in die<br />

Alba stecken… wo Sie erfrieren werden.“ Diese Worte wirkten auf ihn wie zwei<br />

Ohrfeigen, die einer hysterisch geworden Person verabreicht werden. Er sank<br />

mit offenem Mund aufs Bett, schlaff wie Gelatine.<br />

„Schauen Sie sich nur den Jungen da mit der Kugel in der Lunge an, der<br />

gibt keinen Laut von sich! Schauen Sie sich nur unsere Obersten an – einer von<br />

ihnen wurde vor kurzem operiert – vor Schwindel können sie nicht einmal mehr<br />

aus dem Bett steigen, aber sie hören keinen Seufzer! Und Sie?“<br />

Von Schubert verstand kein Rumänisch, aber intuitiv erfasste er ganz<br />

genau, was passiert war. Etwas später kam er zu mir und Hauptmann<br />

Buiculescu, mit dem ich gerade sprach. Beide waren wir seine Dolmetscher,<br />

wenn er in der Baracke etwas mitzuteilen hatte.<br />

„Der ist mit seinen Nerven am Ende!“, begann er flüsternd und wies mit<br />

dem Kopf auf den Hauptmann mit der Krise. „Dies ist nur der Anfang. Wie lange<br />

glauben Sie, dass Sie unter diesen Bedingungen denn noch aushalten werden?“<br />

„Bis unsere Forderungen erfüllt werden oder bis wir sterben.“<br />

„Und was glauben Sie, wie viele werden bis zum Äußersten gehen?“<br />

„Einen haben Sie vor sich“, sagte Buiculescu.<br />

„Und einen anderen dazu“, ergänzte ich. „Und zweifeln Sie nicht daran,<br />

dass wir genug sein werden, mindestens so viele, um für die Sowjetunion und ihr<br />

Gesicht zu einem Fall zu werden.“<br />

„Da kann ich nur lächeln. (Auch wenn der Moment alles andere als<br />

passend ist dafür.) Glaube Sie denn wirklich, dass die Sowjetunion sich zu<br />

diesem Zeitpunkt noch darum kümmert, was die Welt von ihr hält?“ Und er<br />

begann, mir eine Theorie über die kurz bevorstehende bewaffnete<br />

Auseinandersetzung zwischen der Sowjetunion und ihren ehemaligen<br />

Verbündeten darzulegen, die erst jetzt gemerkt hätten, dass sie von den Sowjets<br />

gelinkt worden waren. „Wesentlich ist, dass wir bei Ausbruch dieses Konfliktes<br />

am Leben sind. Deswegen müssen wir überleben und nicht Selbstmord<br />

begehen.“ Derartige Theorien, die mehr auf Wünschen und Träumen und<br />

weniger auf objektiven Daten fußten, waren nichts Neues für uns. Sie waren<br />

angesichts des Kalten Krieges wie die Pilze nach dem Regen aufgetaucht. Wir<br />

aber hatten unser unmittelbares P<strong>ro</strong>blem auf Leben und Tod, das nicht bis zum<br />

dritten Weltkrieg warten konnte. Deswegen fasste ich mir ein Herz, und griff ihn<br />

direkt an, zielte auf seine sensible Stelle.<br />

„Herr Leutnant“, sagte ich zu ihm, „Sie sind nicht irgendwer. Sie sind ein<br />

Von und entstammen einem kriegerischen Adelsgeschlecht, das einen Kult der<br />

Ehre entwickelt hat. Ich bitte und beschwöre Sie im Namen all dessen, was<br />

Noblesse und Ehre in ihrem Wesen ist: Sagen Sie dem Kommandanten kein<br />

Wort von jenem Schwächemoment, dessen Zeuge Sie waren! Ein solcher<br />

Bericht würde uns sehr schaden und unser Leid nur vermehren, da er unsere<br />

Henker glauben lassen könnte, der Streik werde von selbst zusammenbrechen,<br />

ohne dass sie unsere Forderungen erfüllen. Allein, dem ist nicht ganz so. Was<br />

Sie gesehen haben, ist ein Einzelfall. Hier, Herr von Schubert, in dieser<br />

grässlichen G<strong>ro</strong>tte, werden Menschen sterben, wenn unsere Forderungen nicht

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