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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 190<br />

gerne hörte ich ihm zu, wenn er von diesem oder von anderen Bildern und<br />

Ereignissen jener Zeiten erzählte!). Es war, als löste sich dadurch der Dekor des<br />

Hässlichen und grauen Einerleis auf, der uns erdrückte, und ich lebte wieder in<br />

den aulischen, hellen und stillen Räumen der Alma Mater unserer wunderbaren<br />

Studienzeit… (Übrigens, das war auch alles, was meiner Generation zuteil<br />

wurde: eine freie Jugendzeit voller Elan, offen hin zu allen höheren Zielen des<br />

Lebens. Danach kamen der Reihe nach die Armee, die Einberufungen, der<br />

Krieg, die Gefangenschaft und schließlich der 45 Jahre dauernde Tunnel der<br />

Jahre des Lichts 93 , mit den Haftzeiten, Deportierungen und dem ganzen Grau<br />

einer auf Überleben beschränkten Existenz.)<br />

Wenn ich hinzufüge, dass er auch eine wunderschöne Tenorstimme<br />

besaß und in Gitarrenbegleitung Romanzen, Opernarien sang, kann man<br />

verstehen, warum sich die Jungs an den eintönigen Winterabenden um ihn<br />

herum versammelten wie die Nachtfalter um eine Glühbirne, um sei es seinen<br />

Geschichten, seinen Fragestellungen im Stile Nae Ionescus , sei es seinen<br />

Liedern zu lauschen. Mit seiner Erscheinung eines zwar schmächtigen, aber<br />

prächtig beredten Kindes war Petric\ ein Meinungsbildungsfaktor, und für die<br />

heimliche Vorbereitung unserer Widerstandsaktionen trug auch er bei.<br />

Weil wir bei den Sängern sind, nicht vergessen möchte ich Mi[u<br />

Dobrescu, desgleichen ein Alter, ein geborener Revueschauspieler voller Verve<br />

und geistreich, der in den von uns gegebenen Revueschauspielen auf der<br />

Klubbühne mit g<strong>ro</strong>ßer Lockerheit auftrat und unter die Couplets bei Gelegenheit<br />

Anspielungen auf Verwaltung oder Politik einstreute, zu unser aller Gaudi.<br />

Unter den Alten hatte ich auch die Ehre, den Kavalleriehauptmann Zahei<br />

Omer, den Kapitän der Nationalmannschaft für Spring- und Hindernisreiten bei<br />

den internationalen Wettkämpfen, kennen zu lernen. Ich erinnerte mich damals,<br />

mit welcher Aufregung ich einst im Radio die Übertragung einer solchen Übung<br />

verfolgte, die vom Sprecher mit gewürgter Stimme Etappe für Etappe<br />

beschrieben wurde: „Zahei hat die Riviera genommen… nähert sich dem letzten<br />

Hindernis… er ist drüber… Hurraaa! Hauptmann Zahei ist Erster.“ Nun hatte ich<br />

das Privileg (keine Frage, ein etwas teuer bezahltes), in Fleisch und Blut jenen<br />

vor mir zu sehen, dem meine Bewunderung bis dahin bloß im Radio begegnet<br />

war. Was für ein bescheidener, wunderbarer Mensch war dieser Champion, der<br />

unserem Land soviel Ruhm brachte! Er, der türkischer Herkunft war (seine<br />

Gesichtszüge hatten die somatischen Eigenheiten der Ethnie bewahrt), verfügte<br />

über eine innere Ausgeglichenheit und Ruhe, die sich einem beim ersten Kontakt<br />

übertrugen. Selbstverständlich konnten ihm die Versuchungen des Politischen<br />

nichts anhaben, und auch er blieb bis zum Schluss jener letzten, unauflösbaren<br />

Wirklichkeit treu, welche, ob wir sie nun Vaterland oder Gott nennen, im Grunde<br />

genommen das eigene Selbst bleibt. Wie er sich gefreut haben muss, als er in<br />

Oranki einen seiner hervorragenden Teamkollegen, Artilleriehauptmann Sache<br />

M\rg\rit (selber auch ein Klasse Hindernisreiter bei den internationalen<br />

Wettkämpfen), der gerade am Don in Gefangenschaft gefallen war, traf!<br />

93 Anspielung auf die spätkommunistische P<strong>ro</strong>pagandafloskel der Ceau#escu-Ära „ani (de) lumin!”:<br />

Lichtjahre/ Jahre des Lichts.

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