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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 49<br />

8. DIE ERSTE DURCHSUCHUNG<br />

Da das Warten sich in die Länge zog und der F<strong>ro</strong>st uns zwang, in<br />

Bewegung zu bleiben, löste sich die Kolonne alsbald in die gleiche aufgeregte,<br />

unruhige Masse auf, aus der sie sich gebildet hatte. Das Geheimnis dieses<br />

Anhaltens sollte sich dann bald lüften. Dort vorne lief der erste Akt des<br />

Gefangenschaftsrituals ab: die «Durchsuchung».<br />

Ich befand mich zu weit hinten, um feststellen zu können, worin diese<br />

Operation denn bestand. Aus dem aber, was sich von Mund zu Mund bis zu mir<br />

herumsprach, begann ich dessen gewahr zu werden, dass es nicht darum ging,<br />

uns nach Waffen und Munition abzusuchen, was nahe liegend gewesen wäre,<br />

sondern um eine minutiöse, fast bis auf die Haut reichende Abtastung nach viel<br />

weniger martialischen, aber sehr wertvollen Sachen, also in erster Linie nach<br />

Uhren, dann nach Ringen, Medaillons, Kreuzchen, Kettchen, alles, was aus Gold<br />

war, wonach Schuhwerk und Kleidungsstücke besserer Qualität, vor allem<br />

Lederstiefel (die Sowjets trugen Schnürschuhe aus gummiertem Leinenstoff –<br />

falls sie nicht in Walenkis, also Filzstiefeln steckten), dann Pelzmäntel,<br />

Lammfelljacken, pelzgefütterte Handschuhe usw...<br />

Dies war die «Kriegsbeute», die sie jetzt, mitten im XX. Jahrhundert, mit<br />

dem aus dem Morgengrauen der Geschichte stammenden Ritual der<br />

mongolischen Horden praktizierten. Vae victis!<br />

All diese Beute teilten die Plünderer untereinander auf, vor allem die<br />

Uhren. Daher rührte wohl auch die minutiöse Art und Weise, in der sie ihrem<br />

Beruf nachgingen, was andererseits die Kolonnenbildung der Durchsuchten<br />

verhinderte, die doch weitermarschieren mussten.<br />

Und als mit dem Abend auch der F<strong>ro</strong>st einkehrte, drängten sich die armen<br />

Soldaten, von einem Fuß auf den anderen hüpfend und ihre Arme abklatschend,<br />

um nicht zu erfrieren, zu der Durchsuchungsstelle hin, umso mehr als viele von<br />

ihnen nichts zu verlieren hatten, um endlich aufzubrechen, egal wohin, um nur<br />

nicht mehr auf der Stelle zu treten.<br />

Die Gerüchte, die durch die Menschenmenge vom Ort der Durchsuchung<br />

zu mir drangen, beunruhigten mich zutiefst. Allein aus meinem Regiment hörte<br />

ich von etlichen Opfern: Unterleutnant C\nu]\ Constantinescu wurde, von<br />

Pistolen bed<strong>ro</strong>ht, gezwungen, seine Bisonlederstiefel gegen gummierte<br />

Leinenschnürschuhe einzutauschen, die so eng waren, dass er sie gar nicht erst<br />

anziehen konnte. Das Gleiche widerfuhr auch Lt. Gheorghe Ion, Adjutant meines<br />

Regiments, und Oberfeldwebel Scoru[, denen man anstelle der gewaltsam von<br />

ihren Füssen gerissenen Stiefeln Fußlappen hinwarf. Die beiden starben,<br />

erf<strong>ro</strong>ren während des Marsches.<br />

Was mich betrifft, da ich von Natur aus ein Friertyp war, hatte ich von<br />

daheim vorgesorgt und mir Mantel und Rock mit Lammfell gefüttert, so dass ich<br />

diesbezüglich ein sehr interessantes Durchsuchungssubjekt darstellte. Um Ring,<br />

Uhr, Füllfeder sorgte ich mich nicht – letztlich gelang es mir, auch diese zu<br />

verstecken –, aber mir meine Stiefel wegzunehmen, bedeutete, mir das Leben zu

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