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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 345<br />

Der Oberst: „Welche Konvention denn? Von was für einer Konvention<br />

sprichst du?“<br />

Victor Clonaru: „Von der Haager Konvention, die auch ihr unterzeichnet<br />

habt und welche vorsieht, dass die gefangenen Offiziere nicht zu arbeiten<br />

verpflichtet sind. Deswegen sind wir in den Hungerstreik getreten und wir werden<br />

streiken, bis Sie uns schriftlich bestätigen, dass wir nicht verpflichtet sind, zu<br />

arbeiten.“<br />

Der Oberst: „Wie ihr wollt! Ich habe euch die Chance gegeben, zu leben.<br />

Aber wenn ihr sterben wollt, bitte.“ Da hörte man aus dem Hintergrund einen<br />

dumpfen Lärm, der sich zu frenetisch wiederholten Worten formte. „Aber wir<br />

wollen sterben…! …wollen sterben!“ Es war der Hauptmann, der am Vortag den<br />

Nervenzusammenbruch gehabt und so fürchterlich „Ich will nicht sterben!“<br />

gebrüllt hatte, heute nun schrie er aus Leibeskräften: „Ja, wir wollen sterben! Ja,<br />

wir wollen sterben!... besser der Tod, denn dies Hundeleben, das wir leben.“<br />

Hauptmann B\lan: „Ruhe, Ruhe! Bitte, Ruhe!“ Der Lärm legte sich nach<br />

und nach und in die eintretende Todesstille hinein sagte der Hauptmann<br />

langsam, mit Pausen und schauderlich eindringlich: „Herr Oberst, vielleicht<br />

sterben wir ja… alle… hier… in dieser grässlichen G<strong>ro</strong>tte…, aber wisst, Sie<br />

werden sich zu verantworten haben… Der Nürnberger P<strong>ro</strong>zess ist noch nicht zu<br />

Ende. Auf der Anklagebank gibt es noch freie Plätze.“<br />

Der Oberst (erstickend): „Ja, es gibt noch. Aber nicht für die Sieger,<br />

sondern für die Besiegten, … wie du.“ Und zu uns allen sagte er: „Das Gespräch<br />

ist zu Ende. Es gibt nichts zu diskutieren mit fanatischen Selbstmördern, die vom<br />

Tod besessen sind.“ Dann machte er kehrt und verließ schwarz vor Wut, gefolgt<br />

von seinem Generalstab, den Raum. Von Schubert, der als letzter ging, machte<br />

mir aus der Tür noch ein diskretes Zeichen und drückte den Daumen, was wohl<br />

hieß, dass er seinen Mund gehalten hatte… und uns „Erfolg!“ wünschte. Als die<br />

Riegel hörbar wieder vorgeschoben wurden, atmeten wir erleichtert auf. Unsere<br />

spektralen, irrsinnigen Antlitze strahlten vor Genugtuung. Wir hatten frei von der<br />

Leber weg der Sowjetmacht auf höchster Ebene all unsere Verachtung, die sich<br />

in vier Jahren der Erniedrigung, der Revolte und der Verzweiflung angesammelt<br />

hatte, ins Gesicht geworfen.<br />

„Hab ich euch denn nicht gesagt, dass sie keine Pat<strong>ro</strong>nen haben?“<br />

strahlte Mitic\ B\lan. „Oho, hätten sie, nach allem, was wir ihnen gesagt haben,<br />

noch Kugeln in der Pat<strong>ro</strong>nentasche gehabt, sie hätten uns sofort<br />

hopsgenommen, um den Karzer mit uns zu füllen. Ja, vielleicht hätten sie uns<br />

auch einen Kasatschok mit ihren automatischen Balalaikas am Hals, so wie in<br />

Katyn, gespielt… Nun, ihr Messer schneidet nicht mehr… hol sie der Geier!“ Er<br />

hatte noch nicht zu Ende geflucht, als die Tür mit Gewalt aufging und im<br />

Türrahmen vor dem nächtlichen Hintergrund der aufgeblasene Offizier vom<br />

Dienst und vier Hünen mit ihren automatischen Balalaikas am Hals erschienen.<br />

Der „Major“ entfaltete eine Liste, und ein paar von uns näherten sich ihm mit<br />

ihren Fidibussen, damit er lesen konnte.<br />

Der Major: „Wer seinen Namen hört, zieht sich an und tritt nach vorne!“<br />

Die Gefangenen (zu sich selber): „Dies bedeutet Karzer.“

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