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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 158<br />

komp<strong>ro</strong>mittierten Unglücksraben bestand, die auf keine Rettung mehr hoffen<br />

konnten.<br />

„Achtung, die Bude stürzt ein!“ und „Weh denen, die drunter landen!“ rief<br />

wie ein Irrer Onkel Mache Malamuceanu, ein Altgefangener, der alle Siebe des<br />

NKVD durchgemacht hatte, was ihn die Zerrüttung seiner Gesundheit gekostet<br />

hatte, nicht aber auch den Verlust seines Humors und seines belebenden<br />

Optimismus. Die Bude war nun tatsächlich futsch, zu Codlers Verzweiflung, der<br />

all das, was er einen ganzen Winter lang aufgebaut hatte, zerstört am Boden<br />

sah. Vergeblich versuchte der P<strong>ro</strong>phet (diesen Spitznamen hatten wir ihm<br />

gegeben), dem Gerüchtesturm standzuhalten, der ihm seine Speichellecker von<br />

der Seite fegte gleich Schindeln vom Dache. Er rief ihnen zu, der Frieden, von<br />

dem sie sprächen, sei ein Irrsinn und eine Lüge (was ja auch stimmte), und sie<br />

würden sich in die Hände beißen, sowie es ihnen klar werde, was für eine Torheit<br />

es gewesen sei, der von der Sowjetunion ihnen g<strong>ro</strong>ßzügig entgegen gestreckten<br />

Hand den Rücken zu kehren. Doch vergebens sagte er ihnen all dies. Keiner<br />

glaubte ihm, weil er allesamt allzu dick belogen hatte. Von seinem innersten<br />

Wesen her war Codler ein perfekter Lügner, einer, der sogar dann lügt, wenn er<br />

die Wahrheit sagt.<br />

Was Codler aber damals nicht schaffte, schafften im Laufe der Zeit die<br />

Ereignisse, die ja nicht auf Dauer verleugnet werden konnten. Nach und nach<br />

zerrissen sie den Schleier der uns so lieben Illusionen und befreiten uns von dem<br />

Zauber, in dessen Fänge wir uns freiwillig begeben hatten. Die Verweigerung der<br />

Realität hat einen hohen Preis. Entsprechend g<strong>ro</strong>ß war denn auch unsere<br />

Niedergeschlagenheit nach mehr als einem Monat euphorischer Existenz. Aber<br />

mit Gottes Hilfe habe ich auch diesen Moment überstanden, und das<br />

Gefangenenleben nahm wieder seinen gewöhnlichen T<strong>ro</strong>tt auf. Trauriger war es<br />

für die ehemaligen Antifaschisten. Unter Codlers vorwurfsvollen Blicken kehrten<br />

sie reumütig einer nach dem anderen zurück auf die „rechte“ Bahn. Aber nicht<br />

alle. Ein guter Teil von ihnen hat einiges von den Lehren dieser Ereignisse<br />

verstanden und ist bis zum Schluss in unseren Reihen geblieben.

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