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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 302<br />

ich noch einiges zum ungerechten Krieg sagen, den wir gegen die Sowjetunion<br />

geführt haben. Zuvorderst möchte ich darauf hinweisen, dass es keine gerechten<br />

und keine ungerechten Kriege gibt, sondern bloß gewonnene und verlorene.<br />

Haben die militärischen Operationen erst einmal aufgehört, verwandeln sich die<br />

gewonnenen Kriege automatisch in gerechte und die verlorenen in ungerechte<br />

Kriege. Anders kann ich nicht verstehen, warum denn unser Krieg um<br />

Bessarabien, die Bukowina und die Region Hertza, wobei wenigstens letztere<br />

niemals dem zaristischen Reich gehört haben, ein ungerechter Krieg sein sollte.<br />

Nein, Herr Hauptmann, unser Krieg war bloß ein verlorener Krieg, nichts mehr.“<br />

Meine Ausführungen zur Kategorisierung der Kriege, ohne jeglichen Idealismus<br />

und fast zynisch, regten den Hauptmann aber, meinen Erwartungen zum T<strong>ro</strong>tz,<br />

keineswegs auf. Er war zu realistisch, um sich vom P<strong>ro</strong>pagandawein, den man<br />

dem Pöbel zum Trank reichte, beschwipst machen zu lassen, gehörte er doch<br />

selbst auch zu den Weinpanschern.<br />

„Ob nun verloren oder ungerecht oder beides zugleich“, setzte er das<br />

Gespräch fort, „du kannst nicht verneinen, dass euer Krieg uns g<strong>ro</strong>ßes Leid<br />

zugefügt hat. T<strong>ro</strong>tzdem, aufgrund der brüderlichen Liebe, die seit jeher unsere<br />

Völker verbunden hat, streckten und strecken wir, t<strong>ro</strong>tz all des uns von euch<br />

zugefügten Bösen, das weder vergessen, noch unbestraft gelassen werden<br />

kann, noch einmal die brüderliche Hand dem rumänischen Volk aus… Und dies<br />

auf allen Ebenen…, sogar auf dem euren, derer, die ihr hier seid. Damit aber die<br />

Geste eine rezip<strong>ro</strong>ke sein kann, müsst ihr euch von gewissen Ressentiments uns<br />

gegenüber befreien, die euch vorläufig blockieren. Die Welt schreitet voran,<br />

entwickelt sich, ändert ihre Mentalität. Ändert auch ihr die eure!“<br />

(Eine interessante Position zu den Bedingungen dieses brüderlichen<br />

Handschlags!, überlegte ich, wo nur wir uns von unseren Ressentiments befreien<br />

sollten, während sie, die Genossen, sich das Recht vorbehielten, die ihren zu<br />

bewahren und unter deren Herrschaft uns endlos von ihren einfachen Menschen<br />

verprügeln zu lassen.)<br />

„Nun“, unterbrach er mein Sinnieren über diese G<strong>ro</strong>ßzügigkeit der<br />

sowjetischen Geste, „wie scheint dir denn unser Vorschlag?“<br />

„Ausgezeichnet“, rief ich aus, „nur müssten Sie, damit er anwendbar wird,<br />

veranlassen, dass auch eine gewisse Inkompatibilität zwischen den<br />

Maßnahmen, welche die Verwaltung uns, den Rumänen gegenüber, vornimmt,<br />

verschwindet.“<br />

„Was für Maßnahmen?... Was für eine Inkompatibilität?“<br />

„Einerseits möchte sie sich für die Übel, die wir angeblich der Sowjetunion<br />

zugefügt haben, rächen, andererseits möchte sie unsere seelische Zuneigung<br />

gewinnen. Allein, beides zugleich ist unmöglich. Es ist nicht möglich, dass der<br />

Mensch, den du quälst, dich auch liebt! Entweder das eine, oder das andere!<br />

Also denn, wenn ihr nicht darauf verzichten könnt, euch an uns zu rächen, tut<br />

doch, was ihr für richtig haltet! Lasst die Tschassowojs uns mit ihren<br />

Gewehrkolben den Rücken traktieren. Bringt uns um! Aber kommt uns nicht<br />

mehr mit der Liebe!“<br />

Ein peinliches Schweigen stellte sich ein, das letztlich Terle]chi, der<br />

inzwischen eingetreten war, brach, indem er sich auf Russisch an den<br />

Hauptmann wendete. Aus Ton und Mimik und ein paar gebräuchlicheren Wörtern

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