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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 121<br />

28. NACH DER QUARANTÄNE<br />

„Und du glaubst wirklich, dass das Netz völlig leer geblieben ist? Dass da<br />

kein Kärpfchen, nicht eine Karausche, nicht ein Knöpfchen von Fisch in seinen<br />

Maschen hängen geblieben ist?“, fragte mich mein neuer Bettnachbar,<br />

Gymnasiallehrer wie auch ich und aus der Jassyer Gegend stammend, dem ich<br />

nach dem Frühstück, während wir uns auf den Morgenappell vorbereiteten,<br />

meine obigen Überlegungen mitgeteilt hatte. „Los, schau mal zu den Pritschen<br />

und zähl nach, wie viele davon denn leer geblieben sind, dann weißt du, welch<br />

gute Arbeit der Satan heute Nacht geleistet hat. Ich habe in der ersten Schicht<br />

Wache geschoben. Das Hin und Her an der Tür hat mich schlichtweg wahnsinnig<br />

gemacht. Ein ständiges Kommen und Gehen.“<br />

„Von wem denn?“, fragte ich.<br />

„Von den Kurieren Codlers, die einen nach dem anderen zum<br />

Kommissariat bestellten, all jene, die während der Quarantäne den Köder<br />

geschluckt haben (na ja, einen Essnapf Kascha oder einen B<strong>ro</strong>tkanten, und mit<br />

List und Tücke, mit D<strong>ro</strong>hungen, wenn’s Not tat, forderten sie diese auf, die<br />

antifaschistische Mitgliedschaft zu unterzeichnen. Daraufhin, so wie die Teufel<br />

die Seelen der Sündigen vom Gericht zum Teerkessel bringen, so brachten auch<br />

die «Kuriere! sie erst hierher, um ihre Habseligkeiten und den St<strong>ro</strong>hsack zu<br />

nehmen, dann nach oben, in die Etage der «Antifaschisten! oder in die<br />

«Lordkammer!, wie diese noch genannt wird. Es stimmt schon auch das, was du<br />

gesagt hast, lieber Radu, nämlich dass im Klub bei Tageslicht und vor aller<br />

Augen nichts unterzeichnet worden ist, aber es gibt ja auch noch das<br />

«Kommissariat! und das Dunkel der Nacht, in dem die Teufelsmächte in ihrem<br />

Element sind. Heimlich und rasch agieren sie da, damit sie nicht vom<br />

Morgengrauen und dem ersten Hahnenschrei überrascht werden. Was den<br />

rumänischen «Spott! angeht, von dem du so angetan bist, er ist tagsüber gut in<br />

der Agora der Demokratie, hat aber nachtsüber auf dem Kommissariat vor den<br />

«Sondermethoden! nicht Bestand. Es muss etwas anderes gefunden werden.<br />

Wie dem auch sei, sie werden sich mit den Fischlein von heute Nacht nicht<br />

begnügen. Sie werden ihre Fangnetze neu auswerfen, wieder und wieder. Wir<br />

müssen weiterhin mit g<strong>ro</strong>ßem Ärger rechnen. – Komm, gehen wir!“, schloss mein<br />

Gesprächspartner sein düsteres Exposé.

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