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Straße, die von einem Weg, der zum See führte, gekreuzt wurde.<br />

In diesem Augenblick fing die laut schlagende Uhr in der Stube<br />

des Vaters die zwölfte Stunde an zu schlagen. Da sah sie gerade<br />

auf der Kreuzung der beiden Straßen eine Gestalt stehen. Sie<br />

erschrak, fasste sich aber und blickte genauer hin. Es war keine<br />

Täuschung möglich: Da stand leibhaftig der Mann, an den sie seit<br />

Wochen immer hatte denken müssen. Da stand er mit entblößtem<br />

Haupt, gerade so, wie sie ihn vor einigen Wochen bei dem<br />

Morgensegen in Rastenburg gesehen hatte. Ihr Herz stand still.<br />

Wieder sah sie hin. Die betende Gestalt stand kaum 20 Schritte<br />

von ihr entfernt, unbeweglich. Sollte Thomas gestorben sein und<br />

sein Geist ihr erscheinen?<br />

Esther fuhr mit der Hand nach dem Herzen, eilte halb<br />

ohnmächtig nach dem Haus zurück und sank in einen Stuhl. Gleich<br />

darauf kam Marie triumphierend mit einer Gänsefeder in der Hand<br />

hinein.<br />

„Sieh, ich habe dem Ganter… aber Esther, wie siehst du denn<br />

aus? Du bist ja kreidebleich! Was fehlt dir, so sprich doch! Du<br />

zitterst, komm, wir wollen nun zu Bett gehen“.<br />

Esther ließ sich von der Schwester entkleiden, konnte ihr aber<br />

keine Antwort geben.<br />

„Soll ich nicht die Kathrine wecken und dir etwas Warmes<br />

kochen?“<br />

„Ach nein“, brachte Esther endlich mühsam hervor, „komm nur<br />

zu Bett, es wird vorübergehen“.<br />

Beide Schwestern teilten ihr Lager. Während Marie bald<br />

einschlief, konnte Esther doch ihre quälenden Gedanken nicht<br />

loswerden. Sie erinnerte sich an ein Gespräch ihres Vaters mit<br />

seinem Freund, dem Pfarrer Jacob Mroncovius aus Grabnicken,<br />

über Erscheinungen Verstorbener, die geliebten Personen ihren<br />

Tod melden. Es war für sie gewiss. Thomas war gestorben und ihr<br />

erschienen, um von ihr, die er im Leben geliebt, wie er es durch<br />

die Sendung des Tuches noch vor einigen Tagen gezeigt hat, nun<br />

Abschied zu nehmen.<br />

Thomas hatte keine Ahnung, welche Schmerzen er durch seine<br />

Erscheinung der geliebten Esther bereitet hatte. Er ging in frohen<br />

Gedanken durch das schlafende, mondbeleuchtete<br />

Städtchen. Ihm<br />

graute vor der elenden Herberge. Darum richtete er seine Schritte<br />

zur weiten mondbeglänzten Fläche des Sees, aus dem auf der<br />

Insel das alte Schloss Lyck mit seinen ausgezackten Giebeln,<br />

Toren, Strebepfeilern und den beiden langen Brücken erschien. Da<br />

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