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„Euern alten Mantel hat der Schneider Borowski für ihn<br />

umgewendet“, sagte Esther, „das ist des armen Jungen<br />

Staatsmantel“.<br />

„Mulier taceat in ecclesia 29 “, unterbrach sie der Alte, <strong>als</strong> Esther<br />

fortfahren wollte, ihres Bruders Garderobe zu schildern. Thomas<br />

brachte das Gespräch auf etwas anderes und erzählte sehr lebhaft<br />

und zuweilen drollig mancherlei von seinem Aufenthalt in großen<br />

Handelsstädten und seinen Reisen, besonders in Polen.<br />

Inzwischen waren sie zwar langsam, doch ziemlich gut eine<br />

Strecke gefahren und waren eben in ein Gehölz gekommen, <strong>als</strong><br />

Esther auf drei Männer aufmerksam machte, welche nicht weit<br />

vom Wege in einer kleinen Lichtung standen. Thomas sah sich um<br />

und bemerkte, dass alle drei mit heftigen Gestikulationen auf den<br />

vorausfahrenden Planwagen zeigten und einer derselben, der sich<br />

auf 2 Krücken stützte, mit der geballten Faust nach dem<br />

Planwagen drohte. Als der Wagen des Diakons sich näherte, zogen<br />

zwei von den Männern sich hinter die Bäume zurück, während der<br />

Krüppel mit kläglichen Gebärden dem Wagen entgegen humpelte.<br />

Er hatte einen Stelzfuß. Je näher er dem Wagen kam, desto<br />

jämmerlicher wurden seine Bewegungen. Der Diakon ließ halten.<br />

Der Bettler stand am Wagen, die Hälfte seiner Jacke war vorn<br />

abgerissen. Von einem roten H<strong>als</strong>tuch hatte er nur noch einige<br />

Fetzen. Sein furchtbar von den Pocken zerrissenes Gesicht, dessen<br />

buschige Augenbrauen die schielenden Augen fast verschleierten,<br />

hatte auf der linken Wange eine frische Schramme. Auf der<br />

rechten nackten Schulter bemerkte man auch frisch<br />

angetrocknetes Blut.<br />

„Erbarmen, Erbarmen, hochgeehrte Herrschaften, ein Krüppel!“,<br />

brachte er ächzend hervor, während seine Augen den Inhalt des<br />

Wagens überliefen.<br />

Der Diakon fasste in die Tasche: „Bin selbst ein Invalide, weiß,<br />

wie’s tut“, sagte er, seine Gabe reichend.<br />

Thomas warf auch ein Geldstück in den Hut, doch Esther hatte<br />

inzwischen ihr H<strong>als</strong>tuch abgebunden und reichte es dem Bettler.<br />

Mit wortreichem Dank entfernte sich der Bettler, und während der<br />

Wagen weiterfuhr, konnte Thomas, da er rückwärts saß, sehen,<br />

wie der Bettler sich ziemlich schnell an den Ort begab, wo seine<br />

Kameraden waren, ohne viel die Krücken zu gebrauchen.<br />

„Hättest dem armen Krüppel auch etwas anderes geben<br />

können“, sagte der Diakon zu seiner Tochter, diese schwieg.<br />

29 Lat.: „Das Weib schweige in der Gemeinde“ (nach 1. Kor. 14, 34).<br />

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