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Handbuch-zur-Befreiung

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DIE REALISIERUNG DER ALLIIERTEN KRIEGSZIELE 85<br />

bevor er nach Berlin reiste, geht alleine schon aus der äußerst kurzen Zeitspanne<br />

zwischen der telefonischen Weisung an seinen Kriegsminister und dem Einmarschtermin<br />

hervor. Es ist kaum anzunehmen, daß damals eine 40-Divisionen-Armee, die<br />

seit Monaten mobilisiert war und sich im Alarmzustand befand, in nur drei Stunden –<br />

dazu morgens zwischen 03:00 und 06:00 Uhr – bis ins letzte Glied angewiesen<br />

werden konnte, keinerlei Widerstand zu leisten. Mit Sicherheit kann auch ausgeschlossen<br />

werden, daß HITLER als auch HÁCHA das Risiko auf sich nehmen wollten,<br />

einzig und allein aufgrund einer un<strong>zur</strong>eichend informierten Armee einen europäischen<br />

Krieg zu entfachen. Möglicherweise hat auch infolgedessen die Zugfahrt von der<br />

Prager Grenze bis nach Berlin deswegen so lange gedauert.<br />

Wie vorsichtig HITLER bei der Besetzung der Tschechei vorging, belegt auch die<br />

Tatsache, daß er einen Teil seiner SS-Leibstandarte und zwei Rekrutenkompanien<br />

schon am Vortag, dem 14. März, einrücken ließ. Die Leibstandarte war HITLER<br />

persönlich unterstellt und bediente sich bei der Besetzung von Mährisch-Ostrau<br />

einiger Logistik-Abteilungen der Wehrmacht. Offiziell begründete HITLER, daß er<br />

einem möglichen polnischen Einmarsch – die Polen hatten hinlänglich Ansprüche auf<br />

das geographisch zu Süd-Schlesien gehörende Industriegebiet (zwischen Ostrau und<br />

Karwin) bekundet – zuvorkommen wollte. Es ist mehr als unwahrscheinlich, daß<br />

diese zwei Bataillone mit 1.500 Mann einem polnischen Angriff hätten lange stand<br />

halten können. Völlig ausgeschlossen ist aber, daß sie einen massiven tschechischen<br />

Widerstand in dieser ausgebauten Region hätten brechen können. Wie auch später<br />

noch gezeigt wird, war die Annahme eines polnischen Einmarsches in dieses Gebiet<br />

aber durchaus begründet, und in diesem Fall hätte HITLER, durch das Opfer seiner<br />

Leibstandarte zum Schutz der Tschechei, einen wichtigen außenpolitischen Vorteil<br />

gehabt und ein gutes Fundament für eine solide deutsch-tschechische Freundschaft<br />

gelegt.<br />

Kaum bekannt war und ist hingegen die Besetzung von Ölmütz durch zwei Rekrutenkompanien<br />

(300 Mann in der Grundausbildung) des 62. Fliegerausbildungsregiments<br />

aus Quedlinburg. 206 Gerhard SCHIRMER, Chef der 5. Kompanie (Kfz-<br />

Ausbildungskompanie), späterer Oberst und Kommandeur des 16. Fallschirmjägerregiments,<br />

war für dieses Kommando abgestellt und erhielt nach eigenen Angaben seine<br />

Befehle direkt aus Berlin in versiegelten Umschlägen, 207 war also aus der Befehlskette<br />

für die eigentliche Besetzung am 15.03.1939 herausgelöst. Dies ermöglichte zum<br />

einen eine weitgehende Geheimhaltung und zum anderen ein reaktionsschnelles und<br />

direktes Eingreifen in die Geschehnisse. Diese jungen Soldaten, die nur mit Marschgepäck<br />

ohne schweres Gerät in einem Personenzug der Reichsbahn in die Tschechei<br />

einfuhren, hätten, wenn von tschechischer Seite gewollt, sofort festgesetzt und ggf.<br />

vernichtet (im militärischem Sinne) werden können. In diesem Fall hätte man aber<br />

zeigen können, daß zwei Rekrutenkompanien weder eine Invasionsarmee darstellen,<br />

noch einer militärischen Vorhut gegen einen sich in Alarmbereitschaft befindenden<br />

Feind ähnlich ist. Zur offiziellen Erklärung hätte wohl der Fehler eines Reichsbahnbediensteten<br />

ausgereicht.<br />

206 Vgl. Paul Schmidt (Hitlers Dolmetscher): Statist auf diplomatischer Bühne 1923-1945<br />

207 G. Ulrich, a.a.O. S. 51

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