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Handbuch-zur-Befreiung

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DIE REALISIERUNG DER ALLIIERTEN KRIEGSZIELE 231<br />

Über die Auswahl geeigneter Lizenzträger lesen wir weiter:<br />

„Die Auskundschaftung künftiger Lizenzträger wurde dafür bestellten ‚vetters’<br />

überlassen, die auf Grund von Fragebögen und persönlichen Interviews die Eignung<br />

der Antragsteller zu prüfen hatten. Der Umfang der Lizenzierungstätigkeit<br />

(vom Zirkusdirektor zum Zeitungsherausgeber) und die relativ geringe Zeit, die<br />

auf den Antragsteller verwendet werden konnte, ließ es wünschenswert erscheinen,<br />

die getroffene Auswahl noch einmal gründlich zu durchleuchten. Diese Tätigkeit<br />

wurde dem ICD Screening Center 14 in Bad Orb übertragen. Gründer des<br />

Screening Center war der New Yorker Psychiater David Mardochai Levy [J], einer<br />

der führenden amerikanischen Psychoanalytiker. Levy war im Sommer 1945<br />

auf Einladung der ICD in Deutschland eingetroffen und hatte sich an der Schule<br />

des OSS in Bad Orb niedergelassen, wo deutsche Hilfswillige für den amerikanischen<br />

Nachrichtendienst ausgebildet wurden, denen vor allem die Nachprüfung<br />

von Angaben in Fragebögen oblag. Im Oktober 1945 kam es dann <strong>zur</strong> Errichtung<br />

des Screening Center in Bad Orb, das später dem Hauptquartier der Informationskontrolle<br />

in Bad Homburg angeschlossen wurde.<br />

Der Stab des Screening Center bestand aus einem nachrichtendienstlichen Spezialisten<br />

für Nationalsozialismus (Mr. Ernest Rott [J]), einem Psychologen und einem<br />

Psychiater (David Mardochai Levy [J], später Bertram Schaffner [J]). Der politische<br />

Spezialist ließ die künftigen Lizenzträger zwei Aufsätze mit dem Thema ‚Meine<br />

Gefühle in der Nazizeit’ und ‚Die Kollektivschuld des deutschen Volkes’ verfassen.<br />

Dann wurde der Lizenzkandidat von Mr. Ernest Rott interviewt, der über<br />

das Dritte Reich genau Bescheid zu wissen glaubte. Einem Theaterdirektor, der<br />

zwei Nazistücke aufgeführt hatte, habe er nachgewiesen, daß dieser nicht unter<br />

Zwang gehandelt habe, da er an einem Göring-Theater, wo solche Verpflichtungen<br />

nicht bestanden hätten, beschäftigt war und nicht an einem Goebbels-Theater.<br />

Der Theaterdirektor war somit lizenzunwürdig. Die Lizenzkandidaten mußten weiter<br />

40 halbe Sätze vollenden, was ermöglichte, sie je nach dem Ergebnis in 7 Stufen<br />

von ‚außerordentlich demokratisch’ über ‚unverbindlich’ bis ‚außerordentlich<br />

undemokratisch’ einzustufen. Auch der Psychologe hatte Arbeit. Der künftige Lizenzträger<br />

mußte sich zunächst einem Intelligenztest unterwerfen. Wenn er nämlich<br />

außerordentlich unintelligent war, so konnte man bei Nichtbeantwortung<br />

theoretischer Fragen auf Unvermögen (und nicht Verstocktheit) schließen. Ein<br />

Rorschach-Test ergänzte das Persönlichkeitsbild.<br />

Schließlich hatte sich der Lizenzkandidat einem psychiatrischen Tiefeninterview<br />

zu unterziehen, das ‚sich mit der Familie und der sozialen Umwelt des Kandidaten<br />

befaßt und versucht, die Faktoren festzustellen, die seine politische und soziale<br />

Haltung beeinflußt und seine Persönlichkeit entwickelt haben. Die Motive für sein<br />

Handeln werden untersucht und festgestellt, wieviel Freiheit ihm gegeben werden<br />

kann und ob er als positive und kompromißlose Kraft vertrauenswürdig ist.’ Des<br />

weiteren hatte der Psychiater festzustellen, ob der Lizenzkandidat im politischen<br />

Interview die Wahrheit gesagt hatte und ob die Eigenschaften des Kandidaten der<br />

ihm zu übertragenden Aufgabe entsprachen. Schließlich besprach der Stab den<br />

Kandidaten, und der Leiter schrieb einen Bericht, in dem der Kandidat in die

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