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Handbuch-zur-Befreiung

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DIE REALISIERUNG DER ALLIIERTEN KRIEGSZIELE 265<br />

Hoch interessant und entlarvend ist die von HORKHEIMER betonte Aufgabe des<br />

Marxismus und seines Institutes, „nicht unwandelbare Wahrheiten zu entdecken oder<br />

dem objektiven Wissen zu dienen, sondern die Veränderung der Gesellschaft voranzutreiben.“<br />

493 Unverblümter kann man den Bruch mit der deutschen Geistes- und<br />

Wissenschaftstradition kaum ausdrücken.<br />

Die marxistisch-kommunistische Ausrichtung des Instituts und die bekannte Tatsache,<br />

daß mit seinem Direktor ausnahmslos alle Angehörigen des inneren Kreises<br />

und fast alle sonstigen Mitarbeiter des Instituts dem Judentum entstammten, führten<br />

dann dazu, daß am 13. März 1933 das Frankfurter Institut wegen „staatsfeindlicher<br />

Umtriebe“ geschlossen und im Juli 1933 beschlagnahmt wurde. 494 Doch schon 1931<br />

hatte HORKHEIMER, vor allem auf Anregung von ADORNO, aus Vorsicht ein Zweiginstitut<br />

in Genf unter POLLOCK eingerichtet und das gesamte Institutskapital nach<br />

Holland überführt, so daß die Institutsarbeit trotz der Schließung der Frankfurter<br />

Zentrale mit den alten Mitarbeitern im Ausland fast nahtlos weitergehen konnte. Über<br />

Genf und zeitweilige Zweigstellen in Paris und London emigrierte das Institut für<br />

Sozialforschung nach den USA, wo HORKHEIMER es ab 1934 unter der Bezeichnung<br />

„Institute of Social Research“ an der Columbia-Universität in New York mit den<br />

meisten seiner früheren Mitarbeiter, insbesondere dem inneren Kreis von POLLOCK,<br />

MARCUSE, FROMM und LÖWENTHAL 495 [J], später auch ADORNO, weiterführte. Es<br />

wurde zunächst auch noch von WEIL [J] unterhalten, während die Columbia-<br />

Universität kostenlos Räumlichkeiten <strong>zur</strong> Verfügung stellte. In den vierziger Jahren<br />

wurde das Institut wesentlich vom Amerikanischen Jüdischen Komitee und vom<br />

Jüdischen Arbeiter-Komitee unterstützt. Das umstürzlerische, „antikapitalistische“,<br />

marxistische Institut hatte sich so für anderthalb Jahrzehnte in New York City, dem<br />

Mittelpunkt der kapitalistischen Welt und der Welthochburg des Judentums, niedergelassen<br />

– ein scheinbarer Widerspruch. Die im Krieg wahrgenommene Tätigkeit<br />

mehrerer Mitglieder des inneren Kreises, vor allem MARCUSES und LÖWENTHALS, in<br />

hohen US-Staatsstellen wie im Außenministerium oder bei der Spionageabwehr, steht<br />

auch nur scheinbar im Gegensatz zu den umstürzlerischen, antibürgerlichen Zielen.<br />

In New York wurde die „Kritische Theorie“ auf marxistischer und freudianischer<br />

Grundlage weiterentwickelt und für den Tag der Rückkehr nach Deutschland aufbereitet.<br />

An den Vorbereitungen der für das Nachkriegsdeutschland in den USA von<br />

Psychologen geplanten Umerziehung waren HORKHEIMERS Mitarbeiter wesentlich<br />

beteiligt. Vorarbeiten dazu waren Untersuchungen des Instituts über die autoritäre<br />

Persönlichkeit wie über das Vorurteil, vor allem des Antisemitismus. Die für das<br />

Deutsche Volk geplante Umerziehung wurde auf eine wissenschaftliche Basis gestellt.<br />

493 Max. Horkheimer: Sozialphilosophische Studien, Frankfurt/M. 1972, S. 14, zit. n. Rolf Kosiek: Die<br />

Frankfurter Schule und ihre zersetzenden Auswirkungen, Hohenrain, Tübingen 2001, S. 19<br />

494 Aufgrund der bürgerkriegsartigen Ausschreitungen in der Weimarer Zeit und des Wissens um die<br />

Massenverbrechen während und nach dem bolschewistischen Umsturz in Rußland war im damaligen<br />

Deutschland die Unterdrückung des Marxismus nichts Ungewöhnliches und fand breite öffentliche<br />

Zustimmung.<br />

495 Leo Löwenthal geb. am 03.11.1900 in Frankfurt als Sohn eines jüdischen Arztes. Erhielt 1982 die<br />

Goethe-Plakette der Stadt Frankfurt.

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