11.10.2015 Views

Handbuch-zur-Befreiung

You also want an ePaper? Increase the reach of your titles

YUMPU automatically turns print PDFs into web optimized ePapers that Google loves.

DIE REALISIERUNG DER ALLIIERTEN KRIEGSZIELE 119<br />

Während sich im Deutschen Reich die Wirtschaft erholte und sich ein allgemeiner<br />

Wohlstand abzuzeichnen begann, ging es in Polen weiter bergab. Nachdem man den<br />

Polen die Eigenstaatlichkeit geschenkt hatte, hatten diese nichts besseres zu tun, als<br />

alle nichtpolnischen Führungskräfte aus Verwaltung, Industrie und Handel zu entfernen.<br />

Die Polen waren aber u.a. aus Mangel an Erfahrung nicht in der Lage, ein funktionierendes<br />

Staats- und Gemeinwesen aufzubauen, und in den privatwirtschaftlichen<br />

Betrieben machte sich der erzwungene Kompetenzmangel nur allzuoft deutlich<br />

bemerkbar. Die Rechtsordnung war in den 1930er Jahren noch nicht vereinheitlicht.<br />

So gab es fünf verschiedene Gebiete, in denen noch im wesentlichen entweder preußisches,<br />

österreichisches, ungarisches, galizisches oder russisches Recht bestand. In<br />

diesen Jahren wurde – dem älteren Leser noch bekannt – der Begriff „Polnische<br />

Wirtschaft“ sprichwörtlich geprägt. Anstatt daß sich die polnische Führung der<br />

eigenen Unzulänglichkeiten annahm, verstieg man sich in den Glauben, in einem<br />

polnischen Großreich zwischen Ostsee, Adria und Schwarzem Meer würden sich alle<br />

Probleme – nach entsprechender „ethnischer Säuberung“ – von selbst lösen, und<br />

dann Polen „die europäische Großmacht“ sein würde. Dieser völlig irrationale und<br />

nur als größenwahnsinnig zu bezeichnende Nationalismus drückte sich entsprechend,<br />

wie zu erwarten, in der polnischen Außen- wie Innenpolitik aus. Nachfolgend soll<br />

zuerst die polnische Außenpolitik betrachten werden.<br />

Seit der Schaffung des polnischen Staates war die außenpolitische Lage durch die<br />

enge Bindung an Frankreich und durch den Gegensatz zum Deutschen Reich bestimmt.<br />

Mit Frankreich schloß Polen am 19.11.1921 ein offizielles Bündnis, und bis<br />

1932 hatte eine französische Militärmission die Oberaufsicht über das polnische Heer.<br />

Ebenso bemühte sich Frankreich auf wirtschaftlichen Gebieten um Polen, und brachte<br />

darüber hinaus noch einen Bündnisvertrag zwischen Polen und Rumänien (gegen<br />

Sowjetrußland) zu Stande. Aufgrund der Grenzstreitigkeiten im Olsagebiet blieb eine<br />

Annäherung mit der Tschecho-Slowakei aus. Seit Juli 1925 lag Polen mit dem Deutschen<br />

Reich im Zollkrieg. Der mit Sowjetrußland 1932 abgeschlossene<br />

Nichtsangriffspakt zeigte in der polnischen Außenpolitik eine Kehrtwende ohne jede<br />

Rücksicht auf den Vertragspartner Rumänien.<br />

Noch 1920 war Polen unter der Führung PILSUDSKIS, <strong>zur</strong> Eroberung der Ukraine,<br />

in Rußland eingefallen. Dabei drangen die polnischen Truppen bis Kiew vor, wurden<br />

dann aber durch die russische Gegenoffensive bis nach Warschau <strong>zur</strong>ückgetrieben.<br />

Mit der Hilfe des französischen Generals WEYGAND konnten die Russen aber besiegt<br />

werden, und man sprach vom „Wunder an der Weichsel“. Beim russisch-polnischen<br />

Frieden zu Riga be- bzw. erhielt Polen östlich der „Curzon-Linie“ 251 einen 250 km<br />

breiten Streifen mit 11 Millionen Menschen, wovon allerdings nur knapp 2,5 Millionen<br />

Polen waren. 252 Die sogenannte „Curzon-Linie“, die 1919 vom englischen<br />

Außenminister CURZON als polnische Ostgrenze vorgeschlagen worden war, bezeich-<br />

251 Die Curzon-Linie wurde 1939 nach dem Sieg über Polen der deutsch-russischen Demarkationslinie<br />

zugrundegelegt und entsprach später der jetzigen polnisch- russischen Grenze.<br />

252 Diese 2,5 Millionen Polen wurden nach der Austreibung der Deutschen in den deutschen Ostgebieten<br />

angesiedelt. Waren diese Polen zuvor gewöhnt, in relativ primitiven Häusern und Holzhütten zu wohnen,<br />

konnten diese jetzt gut gepflegte deutsche Höfe und Häuser mit vollem Inventar übernehmen.

Hooray! Your file is uploaded and ready to be published.

Saved successfully!

Ooh no, something went wrong!