Handbuch-zur-Befreiung

DIE REALISIERUNG DER ALLIIERTEN KRIEGSZIELE 213
dem Verhungern retten wollten. Allerdings verhinderte dies kaum die „normalen“
Vergewaltigungen, so BRECH:
„Es überwogen die Fälle von Vergewaltigungen, die häufig von zusätzlichen Gewalttaten
begleitet waren. Insbesondere erinnere ich mich an ein 18-jähriges
Mädchen, dem man die eine Gesichtshälfte mit einem Gewehrkolben zertrümmert
hatte und das anschließend von zwei GIs vergewaltigt wurde. Sogar die Franzosen
beschwerten sich, daß die Vergewaltigungen, Plünderungen und Zerstörungswut
unter Alkoholeinfluß bei unseren Soldaten überhand nehmen würden.“ 409
Während die schutz- und hilflosen deutschen Frauen und Mädchen von ihren „Befreiern“
geschändet wurden, wurden die bis dahin Überlebenden und zur Arbeit
fähigen Männer über Jahre versklavt. Dem Internationalen Roten Kreuz zufolge hatte
Frankreich 1946 im August 680.000 frühere deutsche Soldaten, die Sklavenarbeit
verrichteten, wovon 60.000 gefangene Waffen-SS-Soldaten in die Fremdenlegion
zum Kampf um die Wiederherstellung der französischen Kolonialherrschaft in Indochina
(1947-1954) gezwungen wurden. 475.000 davon waren von den USA gefangengenommen
und später den Franzosen zur Zwangsarbeit übergeben worden. 410
Weiter hatte, dem Roten Kreuz zufolge, Großbritannien im August 1946 460.000
deutsche Gefangene, die als Sklaven dort arbeiteten, 411 und, wie in Frankreich,
stattliche Gewinne für das Kriegsministerium erbrachten. Ebenso hielten folgende
Länder Deutsche als Sklaven: Jugoslawien 80.000, Belgien 48.000, Tschechoslowakei
45.000, Luxemburg 4.000, Holland 1.300. 412
Um die deutschen Kriegsgefangenen gefügig zu machen, ließ man sie zunächst in
den Glauben, daß sie nach Hause entlassen würden. „Wenn sie unsere Häfen verließen,
ließ man die Gefangenen glauben, daß sie nach Hause geschickt würden! Als sie
dann bei der Ankunft in britischen oder französischen Häfen erfuhren, daß sie für
unbegrenzte Zeit als Sklaven arbeiten mußten, wurden sie mißmutig. Wie ein britischer
Offizier sagte, ‚Wir brauchen mehrere Wochen, um sie umzudrehen und bis sie
anfangen, schwer zu arbeiten.’“ 413
Demselben Bericht des Internationalen Roten Kreuzes zufolge hielten die USA
durch ihre militärischen Einrichtungen 284.000 gefangene Soldaten als Zwangsarbeiter,
140.000 davon in der Besatzungszone, 100.000 in Frankreich, 30.000 in Italien
und 14.000 in Belgien. 414 Ferner waren in etwa 3.000 Lagern in Osteuropa und
Rußland ca. 3,5 Millionen deutsche Kriegsgefangene und Verschleppte zur Sklavenarbeit
verurteilt, wovon nach der amtlichen Kriegsgefangenendokumentation der
409 Dr. G. Frey, a.a.O. S. 57
410 John Thompson, Genf, Schweiz, 24. Aug. 1946, Chicago Tribune Press Service, zit. n. R. F. Keeling,
a.a.O. S. 21
411 Ebda. S. 23
412 Ebda. S. 25
413 Arthur Veysey, London, May 28, 1946, Chicago Tribune Press Service, zit. n. R. F. Keeling, a.a.O. S.
23
414 John Thompson, Genf, Schweiz, 24. Aug. 1946, Chicago Tribune Press Service, zit. n. R. F. Keeling,
a.a.O. S. 25