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Handbuch-zur-Befreiung

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242 KOMM HEIM! – KOMM HEIM INS REICH!<br />

und Dänemark, in diesen beiden Ländern wiederum häufiger als in Frankreich<br />

und in Frankreich schließlich häufiger als in Italien. Dagegen scheint der Prozentsatz<br />

von strengeren Strafen mit Ausnahme der Todesstrafe – also Zwangsarbeit<br />

und Gefängnisstrafen über fünf Jahre – in Frankreich, Belgien und Holland<br />

gleich hoch gewesen zu sein, geringer in Skandinavien und am geringsten in Italien.<br />

Die Nebenstrafen – Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, Aberkennung eines<br />

öffentlichen Amtes, Verbot der Ausübung eines bestimmten Berufes – wurden sehr<br />

zahlreich in Belgien und Holland verhängt, nicht so häufig in Skandinavien und<br />

nur sehr selten in Italien. Reguläre Todesurteile mit anschließender Hinrichtung<br />

wurden eindeutig in Frankreich am häufigsten ausgesprochen. Die Zahl in Belgien<br />

dürfte um die Hälfte geringer sein; sie ist fast viermal so gering in Dänemark,<br />

zehnmal so gering in Norwegen und zwölfmal so gering in den Niederlanden. In<br />

Italien bildeten solche Urteile die Ausnahme. Die Befriedungsmaßnahmen – Freilassung<br />

Gefangener, Straferlaß, Teil- oder Gesamtamnestien für bestimmte Kategorien<br />

von Gefangenen – wurden in Italien schneller als irgendwo sonst getroffen.<br />

Skandinavien und Frankreich beeilten sich mehr damit als Holland und besonders<br />

Belgien, wo noch 1956, also elf Jahre nach der <strong>Befreiung</strong>, die Zahl der politischen<br />

Gefangenen fast zehnmal so hoch war wie in Frankreich. ... Summarische Hinrichtungen<br />

fanden nur in Ländern mit starken Untergrundbewegungen statt. Wenn<br />

der Prozentsatz der Prozesse vor Sondergerichten in Belgien und Holland höher<br />

war, so lag es daran, daß die Zahl aktiver Kollaborateure, vor allem der Freiwilligen<br />

für den Kampf gegen den Bolschewismus, dort einwandfrei höher lag als in<br />

anderen Ländern. Hinsichtlich der Todesstrafe bleibt festzuhalten, daß Norwegen,<br />

Dänemark und Holland sie zwar wiedereingeführt hatten, aber nur selten Gebrauch<br />

davon machten.“ 456<br />

Hunderttausende fielen in den westeuropäischen Ländern nach dem deutschen<br />

Rückzug der Lynchjustiz zum Opfer. Weder Täter noch Anstifter wurden später<br />

gerichtlich belangt oder auch nur öffentlich verurteilt, womit deren Taten, da die<br />

Opfer irgendwie mit einer pro-deutschen Gesinnung in Verbindung standen, gesellschaftlich<br />

akzeptabel gemacht worden sind. Millionen wurden interniert und dann<br />

„ordentlich“ vor Gericht gestellt. Hunderttausende blieben über Jahre eingesperrt,<br />

Hunderttausenden wurde Besitz und Vermögen eingezogen, Bürgerrechte entzogen<br />

und die Ausübung des Berufes verboten.<br />

Es wurde hiermit nicht nur eine allgemeine gesellschaftliche Verurteilung der<br />

Deutschen und des nationalsozialistischen Gedankenguts im speziellen bewirkt,<br />

sondern die Länder Westeuropas wurden damit insgesamt politisch entsprechend dem<br />

großen anglo-amerikanischen Vorbild neu ausgetrimmt, auf den „richtigen“ demokratischen<br />

Kurs gebracht. Aufgrund dieser massiven „politischen Säuberungen“ kann<br />

geschlossen werden, daß man befürchtete, mit einem freien gesellschaftspolitischen<br />

Diskurs dieses Ziel nicht erreichen zu können.<br />

Eines der wichtigsten Werkzeuge für die „Umerziehung“ war die Beherrschung<br />

der Massenmedien. Die Militärregierungen handhabten sie daher in autokratischer<br />

456 Ebda. S. 302 f.

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