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Handbuch-zur-Befreiung

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JUDAISMUS UND ZIONISMUS 761<br />

So ist eine der sechs Ordnungen vollständig dem Tempeldienst gewidmet, obwohl der<br />

Tempel in Jerusalem zum Zeitpunkt des Entstehens der Mischna bereits über ein<br />

Jahrhundert in Trümmern lag. Die Mischna wird traditionell durch lauten Vortrag<br />

studiert, oft mit einem rhythmischen Vor-und-Zurückpendeln des Oberkörpers.<br />

Über die in den Talmud eingegangenen Mischnakommentare wurde die Mischna<br />

auch sonst umfangreich kommentiert. Einer der ersten Mischnakommentare stammt<br />

aus dem Jahre 1168 und wurde von MAIMONIDES 1405 [J] verfaßt. Nach Auffassung<br />

nicht nur orthodoxer Juden werden die Aussagen in der Mischna als absolut akkurat<br />

und unbedingt zuverlässig betrachtet, da diese unter dem Einfluß göttlicher Inspiration<br />

niedergeschrieben worden seien, weswegen sich auch jegliche Textkritik verbiete,<br />

diese per se häretisch sei.<br />

Der Schulchan Aruch<br />

Das als Schulchan Aruch (hebr.: gedeckter Tisch) bezeichnete Schriftwerk ist neben<br />

Tora und Talmud das dritte grundlegende Hauptwerk für das religiöse Judentum.<br />

Es wurde im 16. Jahrhundert vom Rabbiner Josef QARO [J] (auch KARO) verfaßte und<br />

im folgenden von mehreren Rabbinergenerationen überarbeitet. Dieses vierteilige<br />

Kompendium des jüdischen Rechts enthält die wichtigsten religiösen Vorschriften der<br />

Halacha, also der verbindlichen jüdischen Religionsvorschriften, und ist somit der im<br />

ganzen Judentum anerkannte und maßgebliche halachische Gesetzeskodex. Der<br />

Schulchan Aruch bildet gewissermaßen den Schlußstein in der Festlegung des geltenden,<br />

alle Gebiete des jüdischen Lebens berührenden praktischen jüdischen (Religions)rechts<br />

in kurzer Form. Er besteht aus vier große Themengebiete: Orach Chajim,<br />

d.h. „Weg zum Leben“ 1406 (27 Kapitel mit 697 Paragraphen), enthält die gesetzlichen<br />

Bestimmungen über das tägliche häusliche sowie synagogale Leben des Juden, das<br />

ganze Jahr hindurch; Jore De’a, d.h. „er lehrt Kenntnis” bzw. „Lehrer der Erkenntnis”<br />

1407 (35 Kapitel mit 403 Paragraphen), behandelt jüdische Speise- und Reinigungsgesetze,<br />

Trauergesetze und viele andere religiöse Vorschriften; Eben Ha-Eser,<br />

d.h. „Stein der Hilfe“ 1408 (5 Kapitel mit 178 Paragraphen), behandelt die Ehegesetze,<br />

und Choschen Ha-Mischpat, d.h. „Brustschild des Rechts” 1409 (29 Kapitel mit 427<br />

Paragraphen), enthält das gesamte Zivil- und Kriminalrecht.<br />

1405 Moses Maimonides (geb. 1138 in Córdoba; gest. 13.12.1204 in Kairo) war jüdischer Philosoph, Arzt<br />

und Rechtsgelehrter. Er gilt als bedeutendster jüdischer Gelehrter des Mittelalters. Sein in viele Sprachen<br />

übersetztes religionsphilosophisches Hauptwerk „Führer der Unschlüssigen“, das <strong>zur</strong> Auflösung<br />

des Widerspruchs zwischen Gottes in der Tora offenbartem Wort und philosophischer wie naturwissenschaftlicher<br />

Erkenntnis unter anderem eine allegorische Lesart bestimmter Schrifttexte vorschlägt, wurde<br />

seiner Radikalität wegen heftig diskutiert und beeinflußte maßgeblich religionsphilosophische Debatten<br />

in Judentum und Christentum. Auch wo diese Konzeption bestritten blieb, fundierte seine Systematisierung<br />

des jüdischen Rechts in dem umfänglichen Werk Mischneh Torah seine wirkungsgeschichtliche<br />

Autorität.<br />

1406 Vgl. Psalm 16, 11<br />

1407 Vgl. Jesaja 28, 9<br />

1408 Vgl. Samuel 4, 1; 5, 1; 7, 12<br />

1409 Vgl. Exodus 28, 15, 30

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