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Handbuch-zur-Befreiung

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ZWEITER DEUTUNGSVERSUCH DES GESCHICHTSPROZESSES 365<br />

stagnieren. Auch waren neue, profitable Investitionsmöglichkeiten für die aktuellen<br />

Überschüsse innerhalb des Britischen Empires nur noch begrenzt vorhanden, was zu<br />

ersten größeren Investitionen in Südamerika, also außerhalb des Empires, geführt<br />

hatte. Aber alle außerhalb des Empires liegenden Investitionsmöglichkeiten waren für<br />

die Investoren allein schon dadurch mit einem erheblich höheren Risiko behaftet, weil<br />

sie dort nicht mehr dem rechtlichen und militärischen Schutz des britischen Staates<br />

unterstanden und der noch ungebremsten Konkurrenz der Mittelmächte, also Deutschlands,<br />

ausgesetzt waren, wobei sich nicht nur so manche Rendite auflöste, sondern<br />

Aufträge zum Bau von Anlagen und für Verkehrsprojekte nun bevorzugt an deutsche<br />

Unternehmen gingen. Offensichtlich war bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts<br />

die Investitionsaufnahmegrenze innerhalb des englischen Machtbereiches<br />

erreicht, d.h., es entstanden erste Schwierigkeiten, sprudelnde Kolonialgewinne in<br />

Vermögen umzuwandeln. Werden Gewinne aber nicht investiert und angelegt, so<br />

entsteht daraus nur Geld-Vermögen, also Geldhortung, die <strong>zur</strong> Verknappung des<br />

Geldumlaufs führt, d.h. <strong>zur</strong> Deflation und damit zum wirtschaftlichen Niedergang.<br />

Aufgrund des sich überall in der Welt entwickelnden Nationalbewußtseins mußte<br />

für weitsichtige Politiker und Geschäftsleute zudem immer deutlicher werden, daß das<br />

Britische Empire auf Dauer keinen Bestand haben konnte, also in nicht ferner Zukunft<br />

sein Verfallsdatum erreichen würde. Damit war das Risiko für jede Neu- oder Ersatzinvestition<br />

innerhalb der Kolonien zumindest gleich hoch, wenn nicht gar höher<br />

einzustufen, als in jedem anderen, außerhalb des Empires liegenden Staat. Und sollte<br />

es in den Kolonien gar zu unkontrollierten Aufständen und <strong>Befreiung</strong>en kommen, so<br />

hätten große Teile des immobilen englischen Kolonialvermögens vollständig abgeschrieben<br />

werden müssen.<br />

Sollten die über so lange Zeiträume zusammengerafften Vermögen nun nicht dazu<br />

verwendet werden, den absehbaren Niedergang des Britischen Empires zu finanzieren,<br />

wobei zusätzlich die in den Kolonien gebundenen Beträge völlig verloren gehen<br />

würden, so mußten die erkannten Probleme unbedingt vor der kolonialen Auflösung<br />

kontrolliert gelöst, d.h., die dort lagernden Vermögenswerte mußten zuvor gesichert<br />

und umdisponiert werden.<br />

Nun ging es bei einer solchen Problemlösung aber nicht allein nur darum, die in<br />

den Kolonien investierten Beträge zu sichern, um für diese anschließend möglichst<br />

profitable und risikolose Anlagemöglichkeiten zu suchen. Wird das Kolonialvermögen<br />

näher betrachtet, so bestand es weitestgehend aus immobilem Vermögen, wie z.B.<br />

Bauwerken, Natur- und Bodenschätzen. Und auch die anderen, vordergründig mobilen<br />

Investitionen, wie Anlagen und Maschinen, stellten nur dort, wo sie aufgestellt<br />

waren, einen Vermögenswert dar, da sie erst durch die koloniale Niedriglohnkombination<br />

profitabel betrieben werden konnten.<br />

Aber nicht nur die Immobilität der kolonialen Vermögenswerte, sondern allein<br />

schon deren Dimension war ein Problem in sich. Galt es doch nicht tausende oder<br />

millionen englische Pfund zu retten und dafür neue Anlagemöglichkeiten zu erschließen,<br />

sondern 2-stellige Milliardenbeträge waren zu transferieren, d.h. neu zu disponieren.<br />

Also schon allein die schiere Größe des Kolonialvermögens machte zwingend<br />

eine auch darauf ausgerichtete Lösungsdimension erforderlich. So wurde der Kern der

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