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Handbuch-zur-Befreiung

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DIE REALISIERUNG DER ALLIIERTEN KRIEGSZIELE 123<br />

landwirtschaftliche Güter enteignet. In der Praxis waren polnische Betriebe kaum von<br />

Enteignungen betroffen, die deutschen Betriebe aber in einem sehr hohen Maße. In<br />

Gebieten mit überwiegend polnischem Grundbesitz sollten Güter bis zu 400 Hektar<br />

verkleinert werden, in Gebieten mit zahlreichem deutschem Besitz hingegen sollten<br />

die Güter bis auf 180 Hektar verkleinert werden. Solche Ungleichbehandlung führte<br />

wie gewünscht zu beträchtlichen Bodenverlusten der deutschen Volksgruppe und in<br />

der weiteren Folge <strong>zur</strong> Verringerung der deutschen Kaufkraft und somit auch <strong>zur</strong><br />

Verringerung der Arbeitsmöglichkeiten deutscher Handwerker und Gewerbetreibender.<br />

Nach einem Grenzzonengesetz durften Deutsche in einem 30 km breiten Grenzstreifen<br />

überhaupt kein Land mehr besitzen, und die Beschäftigung von Arbeitern<br />

wurde genehmigungspflichtig, womit deutsche Betriebe jederzeit durch die Entscheidung<br />

des Wojewoden um ihre Existenz gebracht werden konnten. Konsequent betrug<br />

dann auch die Arbeitslosigkeit bei deutschen Arbeitern in Oberschlesien 60 bis 80%,<br />

wohingegen die allgemeine Arbeitslosigkeit 1938 in Oberschlesien bei 16% lag. Der<br />

Erfolg dieser Entdeutschungsmaßnahmen spiegelt sich in der Tatsache wieder, daß<br />

1923 schon 500.000, bis 1931 1.000.000 und 1939 bereits 1.500.000 Deutsche aus<br />

Polen bzw. aus den von Polen besetzten deutschen Provinzen abgewandert waren.<br />

Mit der englischen Garantieerklärung vom März 1939 wurden dann die polnischen<br />

Terror- und Willkürakte gegenüber den Volksdeutschen drastisch verstärkt. Jegliche<br />

deutsche Versammlungstätigkeit wurde strikt eingeschränkt, und Haussuchungen bei<br />

Deutschen wurden <strong>zur</strong> Alltäglichkeit. Immer mehr Deutsche wurden wegen angeblicher<br />

staatsfeindlicher Äußerungen, wegen Beleidigung des polnischen Staates oder<br />

sogar wegen Spionage verhaftet. Deutsche, die in der Grenzzone lebten, wurden in<br />

Massen ausgewiesen. Verbliebene deutsche Vereine wurden nun von den Behörden<br />

aufgelöst, ihr Vermögen eingezogen. Auch zu provokatorischen Grenzverletzungen<br />

kam es schon Monate vor Kriegsbeginn: Polnisches Militär, vor allem Kavallerie,<br />

überschritt immer wieder die Grenze; Wohnhäuser, Zollgebäude, Personen wurden<br />

von polnischem Gebiet aus beschossen; deutsche Höfe wurden in Brand gesteckt,<br />

deutsche Zivilisten, Zollbeamte, Polizisten in Grenznähe wurden verschleppt, auch<br />

ermordet. Einige der Verschleppten fand man nach Kriegsausbruch, verscharrt in<br />

Wäldern. Um einen realistischen Eindruck über die Behandlung der Volksdeutschen<br />

in Polen seit der englischen Garantieerklärung am 31. März bis Ende August 1939 zu<br />

erhalten, soll hier das Dokument Nr. 415 des deutschen Weißbuches Nr. 2 wiedergegeben<br />

werden: 264 Nr. 415<br />

Aufzeichnung eines Beamten der Politischen Abteilung des Auswärtigen Amts<br />

Berlin, den 20. August 1939<br />

Dem Auswärtigen Amt sind in den letzten Monaten dauernd Berichte der deutschen Konsulate<br />

in Polen zugegangen über grausame Mißhandlungen, denen die Volksdeutschen durch die in<br />

immer zunehmendem Maße aufgehetzten und in ihrem Fanatismus völlig hemmungslosen<br />

Polen ausgesetzt sind. In der Anlage sind 38 besonders schwerwiegende Fälle zusammenge-<br />

264 Auswärtiges Amt: Dokumente <strong>zur</strong> Vorgeschichte des Krieges, Berlin 1939, Nr. 2

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